Die Feuerkrone: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
Mörders?«, frage ich.
» Keine Hinweise. Die Familie wusste nichts.«
Enttäuschung liegt mir wie ein Fels im Magen. Ich brauche unbedingt Antworten.
» Ein Fremder hat ihnen gestern Gold überreicht«, fährt er fort. » Groß, jung, das Haar mit Olivenöl zurückgekämmt. Er behauptete, Felipe etwas schuldig zu sein. Sie haben die Summe sofort wieder abgeliefert, als sie erfuhren, was passiert war.«
Meine schweißnassen Hände krallen sich in meine Bluse. » Er wurde für diese Tat bezahlt!«
Hector nickt. » Die Notiz sollte Euch erschrecken– falls Ihr überleben würdet.«
Ich zwinge mich dazu, den Stoff wieder loszulassen und mich zu entspannen. Ohne meinen Leibwächter anzusehen, sage ich: » Vielleicht war das Gift gar nicht für mich gedacht. Vielleicht sollte es jemand anderen treffen. Den Conde. Oder sogar Alentín. Er ist ja immerhin Botschafter.«
» Honig-Kokosbrötchen, Elisa. Und wie Enzo sagte, handelte es sich um destilliertes Duermagift. Das ist in Brisadulce nicht leicht zu bekommen. Man muss die Wüste durchqueren, um die Beeren zu finden. Da wollte jemand ein ganz deutliches Zeichen setzen.«
Ich versuche den Kopfschmerz wegzumassieren, der sich hinter meiner Nasenwurzel aufbaut. » Jemand, der wusste, dass ich den Animagus mit Duermakraut vergiftet habe.«
» Ihr habt außerdem die halbe Armee Inviernes damit vergiftet, nicht wahr?«
» Hector, wenn dieses Gift mir zugedacht war, dann will mich wirklich jemand töten. Und nicht lebendig gefangen nehmen, wie die Inviernos.«
» Das habe ich mir auch schon überlegt.«
» Und das bedeutet, dass es mehr als nur ein Feind auf mich abgesehen hat.«
Schweigend presst er die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen. Zum ersten Mal fällt mir ein leichter Bartschatten auf seiner Kinnpartie auf. Er ist sonst immer glatt rasiert, wie es sich für den Kommandanten der Königlichen Leibgarde gehört. Entweder hat er heute keine Zeit gehabt, oder er hat es vergessen. Es lässt ihn dunkler, grimmiger erscheinen.
Ich zucke unwillkürlich zusammen, als Ximena mir die Hand auf die Schulter legt. » Ich wünschte, wir könnten dich von hier wegbringen«, raunt sie. » In Brisadulce sind zu viele Menschen. Zu viele dunkle Absichten, zu viele dunkle Ecken.«
Ich fahre zu ihr herum. » Nein!«
Sie weicht zurück, die schwarzen Augen weit aufgerissen.
» Ich werde nicht noch einmal weglaufen. Erinnerst du dich noch– du und Papa und Alodia, ihr habt mich aus Orovalle weggeschickt, damit ich in Sicherheit bin!« Eine Wut, von der ich gar nicht wusste, dass ich sie bisher unterdrückt habe, steigt wie Galle meine Kehle hinauf. » Ihr habt mich gezwungen, einen Mann zu heiraten, der mich nicht liebte, der mich kaum jemals richtig wahrgenommen hat. Das hat nicht sehr gut funktioniert, oder? Er ist tot. Und ich bin dem Tod öfter entkommen, als ich zählen kann. Wegzulaufen, das hat nur dazu geführt, dass ich…« Hier halte ich inne, weil ich selbst gemerkt habe, wie schrill meine Stimme ist und wie schrecklich ich mich anhöre. So, als ob ich diesen Ort und dieses ganze Leben hasse.
Sie betrachtet mich mit endloser Ruhe.
» Ich bereue nichts«, erkläre ich ihr.
» Ich weiß.«
» Aber ich werde nicht noch einmal weglaufen.«
Sie verschränkt die Arme und lehnt sich gegen den Bettpfosten, der unter der Belastung knarrt. » Würdest du denn bereit sein, zu etwas hinzulaufen?«
» Was meinst du?«
Sie lässt den Blick durch den Raum schweifen. Abgesehen von Mara und Hector sind noch drei Wachleute auf dem Posten, die wie immer mit keiner Regung erkennen lassen, ob sie unser Gespräch verfolgen. Sie sind so still und ruhig, als wären sie fast – aber doch nicht ganz – unsichtbar. Ximena sagt: » Die – äh – Untersuchungen, mit denen ich mich gerade beschäftige, haben etwas ergeben, das eine längere Fahrt erfordern könnte.« Sie zwingt sich dazu, ein erfreutes Gesicht zu machen. » Vielleicht können wir das mit der Reise in jenes Land verbinden, in das dich das Quorum ohnehin gern schicken würde.«
Sie spricht von dem Tor. Jenem Tor, das » ins Leben« führt. Und offensichtlich will sie vor den Wachen keine Einzelheiten verraten.
Hector nickt. » Ich fand, dass der Conde heute beim Abendessen sehr interessante Dinge erwähnte, bevor seinem Gefolgsmann übel wurde.«
» Das fand ich auch«, sagt Ximena.
In dem Schweigen, das sich nun ausbreitet, denken wir alle dasselbe, das weiß ich. Die Worte, die der Conde benutzte, als er
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