Die Feuerkrone: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
von der alten Legende sprach, entsprachen auf seltsame Weise genau jenen, die unterhalb meiner Stadt in den Stein gemeißelt sind. Das Tor, das zum Leben führt, ist schmal und klein, sodass nur wenige es finden.
» Unser Freund im Sumpfviertel weiß vielleicht etwas darüber«, überlege ich.
» Er könnte auch Informationen über diesen letzten Angriff haben«, fügt Ximena hinzu.
Der Gedanke daran, Sturm erneut gegenüberzutreten, lässt mich erschauern. Sein viel zu perfektes Gesicht steht mir noch klar vor Augen, und ich fürchte mich vor der Arroganz in seiner zischelnden Stimme. Aber dennoch muss ich sein Angebot, mir mehr Informationen zu geben, so bald wie möglich wahrnehmen.
Deutlich zögernd sage ich: » Ich werde ihm morgen einen Besuch abstatten.«
Hector atmet ungehalten aus. » Bitte, tut das nicht. Ich kenne die Umgebung dort unten nicht, und ich wüsste nicht, wo ich die Wachleute positionieren muss. Und so, wie es in dieser Höhle hallt… es gäbe keine Möglichkeit, dort ein Gespräch unter vier Augen zu führen.«
Erst will ich widersprechen und ihn daran erinnern, dass ich mich nicht von der Angst beherrschen lassen will, aber ich halte inne: Das letzte Mal, dass ich mich seinem Rat widersetzt habe, wurde ich fast umgebracht.
» Ihr wollt darauf bestehen, nicht wahr?«, sagt er mit unglücklichem Gesicht.
» Nein. Ich hatte überlegt, Euch zur Abwechslung einmal Eure Arbeit machen zu lassen.«
Einen Moment lang starrt er mich überrascht an, bevor er wieder zu seiner üblichen, ruhigen Miene zurückfindet. » Wenn das so ist, werde ich meine Männer anweisen, ihn morgen früh hierherzubringen.«
» Danke. Und wenn er nicht sofort freiwillig mitkommen will, dann nehmt ihn fest und schleppt ihn her.«
Er lächelt. » Mit Vergnügen.«
Mara tritt auf mich zu, und ihr Gesicht leuchtet vor Entschlossenheit. » Ich habe zwar nichts davon verstanden, aber das ist mir egal.« Sie schwingt die Bürste in meine Richtung. » Ich weiß nur, dass ich morgen für dich Frühstück machen werde, und dass du jeden Bissen essen wirst.«
Am nächsten Morgen, nachdem ich Maras Ziegenkäseomelett mit Frühlingszwiebeln und roten Paprika gegessen habe, muss ich jedoch zunächst der Züchtigung beiwohnen, die ich angeordnet habe. Es ist ein kleiner Trost, dass es jetzt, da sich alle vor dem Palast versammelt haben, für Hector einfacher sein wird, den Invierno ungesehen in den Kettenturm bringen zu lassen.
Umgeben von meiner Entourage aus Wachen und Zofen schreite ich zum Takt einer langsamen Marschtrommel in den Innenhof. Hier hat sich bereits eine große Menge versammelt, die sich nun teilt, um mich durchzulassen. Ich trage ein Gewand aus weinrotem Brokat und mit Goldstickerei, eine Wahl, die ich schon jetzt bedaure, da sich Schweiß unter meinen Achseln und zwischen meinen Brüsten sammelt. Den Kopf halte ich hoch erhoben, trotz des Gewichts meiner Krone.
Es ist derselbe Ort, an dem Martín getötet wurde, dasselbe Podest, dieselbe große Menschenmenge. Aber dieses Mal bin ich aus freien Stücken anwesend.
Die Küchenbediensteten sind bereits an Ort und Stelle. Sie stehen in einem Kreis, die Gesichter nach innen gerichtet, die Hände über den Köpfen an einen dicken Schandpfahl gebunden, der aus dem Stamm eines Banyanbaums gehauen wurde und der einen so enormen Umfang hat, dass alle zwölf mit Leichtigkeit um ihn herum Platz finden. Man hat ihnen die Obergewänder abgenommen, auch den Frauen.
Ich beiße die Zähne zusammen, damit mein Kinn nicht zittert, als ich das Podest besteige und mich auf den provisorischen hölzernen Thron setze. Ximena und Mara stehen links und rechts neben mir. Von hier habe ich die Beschuldigten und die Masse der Schaulustigen dahinter bestens im Blick. Manche drängen sich weiter nach vorn, um besser sehen zu können. Ein Junge sitzt auf den Schultern seines Vaters. Sie alle haben die Augen weit aufgerissen– vielleicht vor Entsetzen, aber vielleicht auch nur vor Aufregung.
Ein Mann nähert sich. Er trägt ein längliches, rotes Kissen und sinkt vor mir auf die Knie. Ist es derselbe Mann, der Martín den Kopf abgeschlagen hat?
Genau wie die Gefangenen ist er bis zum Gürtel nackt. Ein schwarzes Tuch verhüllt seinen Kopf und ist auch um Mund und Nase geschlungen. Sein straffer, muskulöser Oberkörper und die Schultern sind von gezackten, weißen Narben durchzogen. Er hält mir das Kissen hin. Darauf liegen verschiedene Züchtigungswerkzeuge: ein Stock, eine
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