Die Feuertaufe
havenitische Besatzer Mauricios Vater erschossen, als sie seine Widerstandszelle von San Martin aushoben.
Doch trotz allem, was ihm und seiner Familie widerfahren war, gehörte Mauricio zweifellos zu den sanftmütigsten, mitfühlendsten Menschen, die Honor jemals kennengelernt hatte. Und deswegen war sein Hass auf Piraten noch größer als der Honors – wenn das überhaupt möglich war.
»Wie dem auch sei, Ma’am«, fuhr der Surgeon Lieutenant mit bewusst normalerer Stimme fort, »ich denke nicht, dass wir Gefahr laufen, Patienten aufgrund ihrer Verletzungen zu verlieren. Das ist immerhin schon besser, als es sein könnte. Aber Thomas und ich werden sie auf jeden Fall gut im Auge behalten, bis wir uns ganz sicher sein können.«
»Gut, Mauricio. Wirklich gut.«
Was er tatsächlich meinte, ging es Honor durch den Kopf, das war, dass er und sein Pflegedienstleiter, Chief Sick Bay Attendant Thomas Dwyer, vor allem eine ganz bestimmte Patientin im Auge behalten würden. Eine Patientin, über die Neukirch nicht ausdrücklich sagen wollte, man müsse darauf achten, dass sie sich nicht selbst umbrachte.
»Dann«, fuhr Honor schließlich fort, »sollte ich Ihnen jetzt wohl sagen, was ich von Ihnen möchte. Aber halten Sie mich bitte bezüglich aller weiteren Entwicklungen auf dem Laufenden. Vor allem, wenn die Frau, die Sie vorhin erwähnt hatten, Gesprächsbedarf entwickeln sollte. Manchmal kann Nimitz in solchen Situationen immens hilfreich sein.«
»Jawohl, Ma’am, das kann er wirklich«, stimmte Neukirch zu, erhob sich aus seinem Sessel und brachte das erste Lächeln zustande, seit er Honors Arbeitszimmer betreten hatte. Voller Zuneigung blickte er den Baumkater an, der auf seiner Sitzstange kauerte und döste. »Wenn dieser kleine Kerl bloß sprechen könnte, Skipper … Der gäbe einen wunderbaren Therapeuten ab.«
»Aus eigener Erfahrung kann ich Ihnen berichten«, gab Honor zurück und verzog die Lippen nun ebenfalls zu einem schiefen Grinsen, »dass er das auch ganz prima zustande bringt, ohne sprechen zu müssen.«
»Captain, gerade eben ist eine Kommunikationsanfrage des Konföderationskreuzers Feliksá eingegangen. Commodore Teschendorff hat persönlich nach Ihnen gefragt«, erklärte Lieutenant Florence Boyd.
Honor blickte den attraktiven Signaloffizier mit dem platinblonden Haaren und den saphirblauen Augen an. Boyd war drei oder vier T-Jahre jünger als Honor, aber sie war mit Prolong der zweiten Generation behandelt worden. Deswegen sah sie tatsächlich älter aus als ihre Vorgesetzte.
Und ihr steht das sogar verdammt gut, dachte Honor nicht ganz neidlos. Wieder musste sie daran denken, wie entsetzlich das Prolong der dritten Generation ihre eigene Adoleszenz verlangsamt hatte. Viel zu lange war sie sich vorgekommen wie ein ungeschicktes, übergroßes Pferd! Honor musste sich sogar eingestehen, dass dieser unerträgliche Prozess zumindest bei ihr immer noch nicht gänzlich abgeschlossen war. Nachdenklich fuhr sie sich durch das kurzgeschnittene Haar. Es war ihr nicht entgangen, dass Boyd anscheinend nie Schwierigkeiten hatte, männliche Gesellschaft zu finden.
Nimitz, der wie üblich auf der Rückenlehne ihres Kommandosessels lag, stieß einen leisen Laut der Belustigung aus. Er hatte sofort bemerkt, dass Honors Gedanken sich in nur allzu ausgetretenen Pfaden bewegten. Sie lächelte ihren Gefährten an und kraulte ihn hinter den Ohren, doch gleichzeitig kniff sie nachdenklich die Augen zusammen. Vor einundvierzig Minuten hatte die Hawkwing die Hypergrenze des Saginaw-Systems durchquert, und das mit einer Normalraumgeschwindigkeit von achthundert Kilometern in der Sekunde. Unter einer stetigen Beschleunigung von knapp vierhundertneunzehn Kps hielt das Schiff auf Jasper zu, den einzigen bewohnten Planeten des Systems. Mittlerweile war die Geschwindigkeit relativ zum Planeten auf 10 905 Kps angewachsen. Noch etwa eine Stunde bis zum Schubumkehrpunkt, anderthalb Stunden bis Jasper.
Wichtiger jedoch: Unmittelbar nach Erreichen der Hypergrenze hatte Honor ihre Anwesenheit der systemeigenen Verkehrsleitung gemeldet. Bis ihre Nachricht den Orbit des Planeten erreichte, waren beinahe neun Minuten vergangen, und es dauerte weitere neun Minuten, bis die Lotsenstation von Saginaw eine Bestätigung übermittelt hatte. Doch man hatte ihr ohne irgendwelche ungewöhnlichen Fragen Freigabe für einen Standard-Orbit erteilt.
Und niemand von der Verkehrsleitung hatte ihr gegenüber den Namen »Teschendorff«
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