Die Feuertaufe
angesichts dieses neuerlichen Hinweises darauf, dass dieser Fremde anscheinend wirklich eine ganze Menge über sie und ihre Familie wusste.
Mehrere Sekunden saß er nur nachdenklich da, dann machte er eine ungewöhnliche, ruckartige Kopfbewegung. Sie hatte etwas sehr Entschiedenes. Der Mann drehte sich zu Honor herum und blickte sie geradewegs an.
»Falls Sie sich das fragen sollten, Commander: Ich hatte keine Ahnung, dass Sie auch nur in die Nähe des Saginaw-Systems kommen würden, bevor Commodore Teschendorff mit ihnen das Restaurant betreten hat. Ich meine, ich möchte nicht, dass Sie auf die Idee kommen, meine Anwesenheit hier auf Jasper habe irgendetwas mit Ihrer Anwesenheit hier auf Jasper zu tun. Wir haben es hier einfach nur mit einem dieser außergewöhnlichen Zufälle zu tun, die sich hin und wieder ereignen, so unwahrscheinlich es auch manchmal scheinen mag.«
Ruhig blickte ihm Honor in die Augen. Nimitz drückte ihr seine rechte Handpfote sanft gegen den Oberschenkel. Damit ließ er sie wissen, dass der Kellner ihr hier nichts als die Wahrheit erzählt hatte.
»Ich denke, ich kann damit leben, dass es auch Zufälle gibt«, sagte sie.
»Als mir klar wurde, wer Sie sein könnten … um ganz ehrlich zu sein, hat mich überhaupt erst Nimitz auf diesen Gedanken gebracht, und dann habe ich Ihre Augen gesehen.« Der Kellner schüttelte den Kopf. »Wussten Sie, dass Sie ganz die Augen Ihrer Frau Mutter haben?«
»Das ist so ungefähr das Einzige, was ich von ihr geerbt habe«, antwortete Honor mit einem schiefen Grinsen. Gerade wegen der unfassbaren, beinahe schon katzenhaften Schönheit ihrer Mutter war Honor die – dank des Prolongs noch verlängerte – Adoleszenzphase mit der damit einhergehenden ungelenken Schlaksigkeit noch unerträglicher vorgekommen. Honor liebte Allison Harrington wirklich von ganzem Herzen, aber immer noch gab es einen Teil ihrer Seele, der ihrer Mutter nie vergeben hatte, so viel schöner zu sein als sie selbst.
Der Kellner setzte zu einer Erwiderung an, doch dann schüttelte er den Kopf und verdrängte den unausgesprochenen Gedanken. Stattdessen konzentrierte er sich nun auf etwas gänzlich anderes.
»Durch meine Arbeit in Onyx kommt mir so manches zu Ohren«, sagte er. »Ja, wirklich eine ganze Menge. So habe ich beispielsweise gehört, das Problem mit der Evita habe sich bereits erledigt. Sozusagen.«
»›Erledigt‹?«, wiederholte Honor scharf und richtete sich auf der Bank ruckartig auf. »Was meinen Sie damit, ›erledigt‹?«
»Ich meine, dass das schöne Schiff Evita und auch die ganze arme, missverstandene, ach so geschmähte Mannschaft auf geheimnisvolle Weise verschwunden sind«, erklärte der Kellner. Er sah Honor an, wie Entsetzen und Zorn gleichermaßen in ihr aufstiegen, doch er schüttelte den Kopf. »So ganz wird Sie das doch wohl kaum überraschen, Commander!«
Es gelang Honor, sich einen finsteren Blick zu verkneifen, den sie ihrem Gesprächspartner schon zuwerfen wollte. Neben ihr erzitterte Nimitz und stieß ein kaum hörbares Fauchen aus, das sich aber nicht gegen den Kellner richtete, sondern nur seinen eigenen Zorn verriet. Honors Nasenflügel bebten, und sie verzog gequält das Gesicht.
»Nein«, gestand sie ein. »So ganz überrascht mich das wirklich nicht. Ich wünschte, es wäre anders.«
»Das glaube ich Ihnen.«
In den Bernsteinaugen des Kellners war echtes Mitgefühl zu erkennen. Sein Blick wirkte beinahe zärtlich. Doch Honor sah auch, dass sich hinter diesem Mitgefühl noch etwas anderes verbarg, das alles andere als sanft war.
»Mir ist ebenfalls durchaus bewusst, dass sich Gouverneurin Charnowska lautstark für eine engere Beziehung zum Sternenkönigreich einsetzt, Commander«, fuhr er fort. »Aber leider ist die Lage in diesem Sektor … sagen wir: suboptimal?«
»Oh ja!« Honor lehnte sich wieder zurück. »Andererseits – und ich hoffe, Sie verübeln es mir nicht, wenn ich das so schonungslos ausspreche – scheint mir doch offenkundig, dass Sie über Informationen verfügen, die Sie mir zukommen lassen wollen. Abgesehen davon, dass die Evita verschwunden ist, meine ich. Sie wissen genauso gut wie ich, dass ich das früher oder später auch selbst in Erfahrung gebracht hätte. Also gehen wir doch einfach davon aus, dass Sie das nur angesprochen haben, um meine Aufmerksamkeit zu erregen und mir zu zeigen, dass Ihnen hier in Onyx ›so manches zu Ohren kommt‹. Erzählen Sie mir doch jetzt einfach, wer Sie in Wirklichkeit sind
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