Die Feuertaufe
ob dem nun so ist oder nicht, das wird nichts an dem ändern, was hier in diesem Sonnensystem innerhalb der nächsten Stunde geschehen wird.«
»Wenn Sie versuchen, an Bord dieser Plattform zu kommen, dann werden verdammt viele dieser ›Unschuldigen‹, um die Sie sich ach so große Sorgen machen, mit größter Wahrscheinlichkeit ums Leben kommen«, erklärte Sokolowska ihr geradeheraus.
»Eines sollten wir hier vielleicht klarstellen«, gab Honor zurück. »Ich weiß, wie Manpower üblicherweise vorgeht. Ich weiß genauso gut wie Sie, dass jeder Einzelne dieser Unschuldigen tot sein wird, wenn Sie diese Station verlassen, um irgendwo anders eine neue Basis aufzubauen. Das wird doch so oder so passieren. Und wenn ich jetzt zurückweiche, dann werden sie jeden Ihrer Gefangenen – Sklave oder nicht – umbringen, bevor Sie Ihr »Warenlager« sprengen und dann versuchen, irgendwo in der Bevölkerung dieses Systems unterzutauchen. Also glauben Sie bloß nicht, Sie könnten mich umstimmen, indem Sie mir drohen! Andererseits möchten Sie ja vielleicht darüber nachdenken, dass ich Ihnen ganz und gar die Wahrheit über die Entermannschaft an Bord der Rapunzel gesagt habe. Allerdings habe ich nie behauptet, es seien Marines.«
»Was?« Sokolowska kniff die Augen zusammen. »Was zur Hölle reden Sie denn da?«
»Ich rede vom Audubon Ballroom, Ms Sokolowska.« Honors Stimme klang tonloser denn je, und in ihrer Wange zuckte kein Muskel. »Ich habe etwa Tausend von ihnen an Bord der Rapunzel . Und eines können Sie mir glauben: Die würden nur zu gerne mit Ihnen tanzen.«
Ungerührt blickte sie Sokolowska in die Augen. Das Schweigen auf dem Com-Kanal knisterte förmlich. Mehrere Sekunden zog es sich in die Länge, bevor die Stationskommandantin den Kopf schüttelte und Honor zornig anstarrte.
»Das ist doch gelogen. Sie erwarten doch nicht ernsthaft von mir zu glauben, dass eine Manty es tatsächlich wagen würde, auf souveränem silesianischem Territorium einen Angriff durchzuführen, unterstützt von einem Haufen gottverdammter Terroristen, oder?« Sokolowska stieß ein bellendes Lachen aus. »Netter Versuch, aber doch ein bisschen arg dick aufgetragen.«
»Besagte Manty ist zufälligerweise Halb-Beowulfianerin«, erklärte Honor ihr völlig ruhig. »Und wenn mich dieser Einsatz hier meine Karriere kosten sollte, dann ist das eben so. Wir werden diese Plattform entern, Sokolowska, und wir werden jeden Sklaven und jeden unschuldigen Techniker mitnehmen. Und wenn Sie auch nur in Erwägung ziehen, einige von ihnen umzubringen – oder am besten gleich alle –, dann sollten Sie lieber noch einmal an all die Geschichten denken, die Sie bislang über den Ballroom gehört haben. Denn das Einzige, was zwischen eintausend Mann vom Ballroom und Ihnen steht, das bin ich.«
»Das wagen Sie nicht.« Immer noch blickte Sokolowska sie zornig an, doch nun stand in ihren braunen Augen unverkennbar Panik zu lesen. »Selbst wenn dieser Frachter da wirklich voll mit diesen Wahnsinnigen wäre, würden Sie es doch niemals wagen, die auf uns loszulassen. Dafür würde man Sie nicht nur fertigmachen – dafür würde man Sie kreuzigen , verdammt noch mal!«
»Ich bin bereit, das Risiko einzugehen, Ms Sokolowska … Sie auch?«
Zwei Augenpaare durchbohrten einander, dann fletschte Sokolowska die Zähne.
»Also gut«, sagte sie leise. »Also gut! Kommen Sie an Bord der Plattform, Commander . Machen Sie nur! Ich lade Sie sogar herzlich dazu ein. Und wissen Sie auch, warum? Weil ich überhaupt nichts zu verlieren habe. In dem Augenblick, in dem der erste Ihrer Marines – oder der erste dieser Wahnsinnigen vom Ballroom – einen Fuß auf diese Plattform setzt, werde i …«
Ohne jede Vorwarnung explodierte Sokolowskas Schädel in einer entsetzlichen Wolke aus Rot, Grau und feinen weißen Knochensplittern. Honor hörte das schrille, unverkennbare Heulen eines Pulsers. Irgendjemand schrie auf, dann wurden weitere Pulser abgefeuert.
Es schien ewig zu dauern, dabei konnten es in Wahrheit nur wenige Sekunden gewesen sein. Dann, abrupt, erschien ein anderes Gesicht auf Honors Bildschirm: ein Mann mit dunklen Augen, dessen dunkles Haar von silbernen Strähnen durchzogen war.
»Hier spricht Kamil Mazur, der Oberingenieur!«, sagte er heiser. »Wir sind nicht alle so wie dieses wahnsinnige Miststück!«
»Gut. Darf ich dann davon ausgehen, dass Sie die Absicht haben, sich zu ergeben?« Honors Stimme klang völlig ruhig, als hätte ihr dieser
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