Die Feuertaufe
gab Honor zu bedenken. Der Erste Offizier blickte sie skeptisch an, und sie zuckte mit den Schultern. »Ich habe doch nicht gesagt, das sei zweifellos ein Bluff; ich habe lediglich darauf hingewiesen, dass es durchaus möglich wäre.«
»Und wenn nicht?«
»Wenn es kein Bluff ist, dann ist das vermutlich die Bestätigung dafür, dass der Ballroom recht hatte, was Gouverneurin Obermeyer angeht«, erklärte Honor, immer noch im gleichen, beinahe schon gelassenen Tonfall. »Und das wäre nun doch nicht so überraschend, oder?«
»Was meinen Sie denn, was sie der Gouverneurin durchgegeben haben, Ma’am?«, fragte Nairobi sehr viel leiser nach.
»Ich könnte mir vorstellen, sie berichten ihr, dass sie von einem manticoranischen Kampfschiff angegriffen werden. Und sie werden ihr vermutlich nahelegen, uns kraft ihrer Autorität zu befehlen, den Angriff abzubrechen und die Station in Ruhe zu lassen.«
Nairobi wirkte besorgter als zuvor, und Honor warf ihm ein beruhigendes Lächeln zu.
»Ist ja nicht so, als hätten wir diese Möglichkeit nicht schon im Vorfeld bedacht, Taylor«, gab sie zu bedenken.
»Damit fühle ich mich aber auch nicht viel besser«, erwiderte er grimmig.
»Das vielleicht nicht, aber …«
»Skipper, die Plattform ruft uns«, fiel ihr Boyd ins Wort.
»Legen Sie es auf den Hauptschirm, Florence«, sagte Honor und schwenkte ihren Sessel herum, als auf dem Display das Gesicht einer Frau mit kastanienbraunem Haar und braunen Augen erschien. Was Honor hier sah, passte genau zu der Beschreibung einer gewissen Edytá Sokolowska, die ihr der Ballroom geliefert hatte.
»Haben Sie Ihre Entscheidung getroffen?«, fragte Honor mit eisig ruhiger Stimme.
»Und ob wir das haben, verdammt!«, fauchte Sokolowska. »Sie können sich Ihren Zerstörer und Ihre beschissenen Marines in den Hintern schieben, Lady! So, wie ich das sehe, bleiben Ihnen vielleicht noch neunzig Minuten – höchstens! –, bevor Sie von Gouverneurin Obermeyer einen neuen Marschbefehl erhalten. Was wollen Sie denn in anderthalb Stunden mit dem popeligen Marines-Kontingent eines einzelnen Zerstörers anfangen?«
Sie grinste höhnisch, und Honor fragte sich, ob diese Frau wirklich glaubte, was sie da sagte, oder ob sie genau das nur ihrem Gesprächspartner glauben machen wollte. Aber wie dem auch sei …
»Ms Sokolowska – das stimmt doch, oder?« Honor gestattete sich ein mildes Lächeln, als es ihrem Gegenüber nicht gelang, sich ihre Überraschung nicht anmerken zu lassen. Einen Moment lang ließ Honor das Schweigen auf Sokolowska einwirken, dann zuckte sie mit den Schultern.
»Ms Sokolowska, für so töricht werden Sie mich doch wohl nicht halten, oder? Es ist mir doch klar, dass Sie hier im Casimir-System nur derart unverfroren agieren können, wenn Gouverneurin Obermeyer über Ihre Aktivitäten informiert ist. Und das bedeutet, dass Sie ebenso mit Ihnen und Manpower unter einer Decke steckt wie Sektorengouverneurin Charnowska.«
Sokolowska erbleichte sichtlich, und dieses Mal hatte Honors Lächeln eindeutig Ähnlichkeit mit dem Zähnefletschen eines Hexapumas auf der Jagd.
»Natürlich weiß ich von Ihren hochrangigen Schirmherren und Beschützern, Ms Sokolowska«, fuhr Honor kühl fort. »Bedauerlicherweise – für Sie, meine ich natürlich – scheint von denen derzeit niemand hier zu sein … im Gegensatz zu mir. Es mag Sie überraschen, das zu hören, aber niemand von denen gehört zu meiner Weisungskette. Und mir ist wirklich ziemlich egal, wie diese Personen über mein derzeitiges Handeln denken mögen.«
»Sie bluffen doch!«, fauchte Sokolowska. »Mir ist egal, für wen Sie sich halten mögen! Was meinen Sie denn wohl, was Ihre eigene Regierung sagen wird, wenn Sie einen derart gewaltigen Zwischenfall provozieren?!«
»Sie glauben wirklich, Charnowska und Obermeyer werden zugeben, von Manpower bezahlt worden zu sein?« Honors Blick wirkte beinahe schon mitleidig. »Die werden Sie doch einfach aus der Luftschleuse stoßen wie einen Müllsack, Sokolowska – und das wissen Sie genauso gut wie ich. Es sei denn, natürlich, ein paar von Ihren Leuten bieten sich als Kronzeugen an und sagen gegen sie aus.«
»Die bräuchten überhaupt nichts zuzugeben, um Ihren Kopf zu fordern!« Honor kam zu dem Schluss, dass Sokolowska mittlerweile ein wenig verzweifelt klang.
»Das vielleicht nicht«, erwiderte Honor und gestattete sich erneut dieses Hexapuma-Lächeln. »Andererseits: vielleicht ist mir ja auch das herzlich egal. Und
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