Die Feuertaufe
in seiner Form zu verändern, nur einen Sekundenbruchteil lang, bevor er in Kontakt mit dem Seitenschild des Zielobjektes selbst kam. Durch dieses »Flackern« war es der Rakete möglich, den Seitenschild ungehindert zu passieren. Diese Herangehensweise hatte den Nachteil, dass dabei der Antrieb der Rakete zerstört wurde (sowie ein Großteil ihres gesamten hinteren Rumpfes). Daher war die Rakete innerhalb des Impellerkeils ihres Zielobjektes manövrierunfähig und verlor gleichzeitig die einfachste Möglichkeit, ihr Ziel zu zerstören. Die Lösung für dieses Problem bestand darin, einen auf Distanz wirksamen Nuklearsprengsatz mit dem Schildbrecher zu kombinieren und den manövrierunfähigen Raketenkopf dazu zu verwenden, einen Kernsprengkörper in den zuvor durch den Schild geschützten Bereich des Zielobjektes zu tragen. Durch behutsame Manipulation der Energiesignatur des Raketenimpellers, entsprechende Konstruktion des Raketenhecks und ein leistungsstarkes Pressfeld, das die Ladung dem Zielobjekt entgegenstößt, bevor der Impellerring der Rakete zerstört wird, kann der Gefechtskopf den Seitenschild durchdringen und innerhalb des Schutzbereiches dieses Schildes detonieren. Abgesehen von dem offensichtlichen Faktor – bahnbrechende Erkenntnisse auf dem Gebiet der Gravitationsphysik – waren auch beachtliche Fortschritte in der Computertechnologie erforderlich, um sicherzustellen, dass der Nuklearsprengsatz zum richtigen Zeitpunkt detonierte: nachdem der Gefechtskopf den ersten Seitenschild durchdrungen hatte, jedoch bevor der manövrierunfähige Raketenrumpf durch den gegenüberliegenden, unmanipulierten Seitenschild in Stücke gerissen wurde. Zu diesem Zeitpunkt war es nicht ungewöhnlich, dass ein »nuklearer Gefechtskopf mit Seitenschildkontaktwirkung« – oder umgangssprachlich »Kontaktbombe« – genau auf der gegenüberliegenden Seite des Zielobjektes detonierte 1 . Sprengsätze, die vorzeitig detonierten, also noch vor Erreichen des Seitenschildes, konnten möglicherweise immer noch die Generatoren des gegnerischen Schiffes überladen, alleine durch die immense Energie, die dabei auf den Seitenschild übertragen wurde. Dies hatte den positiven Effekt (zumindest für den Angreifer), dass auf diese Weise der Seitenschild geschwächt und damit leichter angreifbar wurde. Die Undurchdringlichkeit des Seitenschildes hatte weniger als fünfzig Jahre gewährt und gehörte mit der Einführung des Schildbrechers endgültig der Vergangenheit an.
Die Entwickler neuer Sternenschiffe reagierten darauf mit einem beachtlichen Innovationsschub, was Abwehrmaßnahmen betraf. Frühe Forschungsergebnisse auf dem Gebiet der elektromagnetischen und gravitatorischen Täuschungsmanöver und Gegenmaßnahmen betonten erneut die Bedeutung jener uralten Kunst, die archaisch als »elektronische« Gegenmaßnahmen bezeichnet wurde. Bei der Nahbereichsabwehr konzentrierten sich die Navys auf die Technologie der Massetreiber. Die Schnellfeuerkanonen zur Nahbereichsabwehr, wie man sie heutzutage noch bei manchen drittklassigen Navys und auf wahrhaft uralten Schiffen der Schlachtflotten-Reserve bei der Solarian Navy findet, sind unmittelbare Nachfahren der Waffen, die während des beschriebenen Zeitpunkts zur Reaktion auf die frühesten Modelle der Kontaktbombe entwickelt wurden.
Damit waren nun die Voraussetzungen für ein Wettrüsten geschaffen, das die gesamten letzten siebenhundert Jahre angehalten hat. Die Konstrukteure militärischer Raumfahrzeuge haben stetig effektivere Methoden entwickelt, angreifende Raketen zu täuschen, zu zerstören oder abzuwehren. Waffenentwickler konstruierten zunehmend effektive Zielsucher, Seitenschildbrecher und Gefechtsköpfe. Hin und wieder war die evolutionäre Entwicklung innerhalb des Zeitraums von 1300 bis 1800 durch Ausbrüche revolutionärer Aktivitäten durchsetzt, die auf beiden Seiten – der Offensive wie der Defensive – zu konkurrierenden Technologien führten. Die Entwicklung des Trägheitskompensators im Jahr 1412 gestattete den Bau größerer Sternenschiffe, deren Rumpf durch massivere Mehrschicht-Panzerungen geschützt werden konnte. Diese neue Panzerung reduzierte stufenweise die Energie des Angriffs und war die erste, die der Detonation einer Kontaktbombe, auch bei einem Abstand von wenigen Hundert Metern, zu widerstehen vermochte. Die Schäden, die sich bei derartigen Naheinschlägen ergaben, waren immer noch beachtlich, doch lebenswichtige Systeme und Abteilungen wurden durch
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