Die Feuertaufe
einkommende Rakete auf den letzten 50 000 bis 60 000 Kilometern ihrer Annäherung zu zerstören. Bei intakten Abwehrsystemen wurden Schiffstreffer nun die Ausnahme. Dies schränkte die Rolle der impellergetriebenen Rakete deutlich ein: Das Beste, was sich damit erzielen ließ, war jetzt nur noch ein Naheinschlag einer typischen Raketensalve, die dann die Seitenschildgeneratoren ausbrennen ließ und so das Zielobjekt leichter angreifbar machte, sobald der Gegner auf Energiewaffenreichweite aufgekommen wäre. Tatsächlich war die gezielte Zerstörung der Seitenschilde das Einzige, wofür auch nach Aufkommen der Antirakete noch große Gefechtsköpfe auf reiner Fusionstechnologie gebaut wurden.
Dass die meisten Navys anschließend auch weiterhin bimodale Impellerraketen (mit Seitenschildzerstörungs- und Kontaktbomben-Funktion) bauen ließen, mag überraschen. Derartige bimodale Raketen brachten taktische Flexibilität mit sich. Hin und wieder kam bei großen Anti-Seitenschild-Salven doch eine Kontaktbombe zu ihrem Zielobjekt durch. Unter derartigen Bedingungen boten bimodale Raketen, die sowohl als Kontaktbomben als auch als Seitenschild-Zerstörer fungieren konnten, zumindest die Chance, einen entscheidenden Treffer zu landen – wenngleich zu dem (verschmerzbaren) Preis, im Raketenrumpf auch noch die Seitenschilddurchdringungs-Instrumente nebst zugehöriger Software unterbringen zu müssen, was Ausmaß und Masse der Raketen natürlich steigerte. Seinerzeit entschieden sich die RMN und auch einige andere Navys dafür, den bimodalen Betrieb beizubehalten. Erfahrene Raumschiffer (wie der Autor) sprachen dann gemeinhin von der »Bumm«- oder der »Brenn«-Einstellung.
Obwohl also die technische Möglichkeit für den »Bumm«-Modus weiterhin bestand, kam sie nur selten zum Einsatz. Daher suchten die Raketenkonstrukteure nach neuen Möglichkeiten, die Seitenschild-Durchdringung zu verbessern und auf diese Weise eine größere Abstandswirkung zu erzielen. Die Entwicklung einer weiteren Generation leistungsstarker Gravitationsgeneratoren, die trotz ihrer Miniaturisierung auch praktisch verwendbar waren, leitete den nächsten Schritt in der Evolution der Raketengefechtsführung ein. Im Jahr 1806 wurde die erste gravitationsgesteuerte Kernwaffe mit Energiebündelung(GKEB) vorgestellt. Die entscheidenden Komponenten stellten Gravitationslinsen-Gruppen dar, eine Abwandlung jener Linsen, die etwa fünfzig Jahre zuvor die Effektivität bordeigener Laser/Graser drastisch gesteigert hatten. Bei den ersten dieser Linsengruppen sprach man von der »Platten-Aufstellung«; bei dieser wurde lediglich die Energie der Bombe hinter dem Gefechtskopf über eine abgeflachte, künstliche Gravwelle reflektiert, ähnlich einem Impeller oder einem Seitenschild. Dank stetiger Forschung wurde der Brennpunkt dieser Linsengruppen immer präziser, und so stieg im Laufe der nachfolgenden Jahrzehnte die Abstandswirkung impellergetriebener Raketen von Dutzenden über Hunderte bis hin zu Zehntausenden von Kilometern immer weiter an. Die ersten Gravlinsengruppen waren jedoch noch recht sperrig. Aus diesem Grund wurde bei diesen Raketen häufig auf den Schildbrecher verzichtet, bis weitere technische Verfeinerungen erneut die Miniaturisierung gestatteten. Im Jahr 1826 konnte die jüngste RMN-Entwicklung impellergetriebener Raketen mit Nukleargefechtskopf über einen Abstand von 8 000 bis 10 000 Kilometern hinweg den Seitenschild eines gegnerischen Schiffes ausbrennen.
Im gleichen Jahr entwickelte ein kleiner solarischer Verteidigungssystem-Lieferant namens Aberu and Harmon eine neue Aufstellung für Gravlinsen: Hierbei wurden Linsen jüngster Generation mit einer Reihe Submunitions-Filamente kombiniert, die kurzwellige Röntgenlaserstrahlen emittierten, sobald sie dem Breitband-Röntgenimpuls einer Kernexplosion ausgesetzt wurden. Der Grundgedanke war, dass diese Filamente intensive Laserstrahlen produzierten, die dann das Zielobjekt trafen, nachdem der Teil der freigesetzten Strahlung, die nicht mit den Filamenten in Wechselwirkung trat, dessen Seitenschild bereits geschwächt hatte. Die geringfügige Verzögerung, die sich durch den erforderlichen energetischen Übergang ergab, stellte sicher, dass die Energie der Bombe, die eben nicht als Anregungsenergie für dieses Intersystem Crossing genutzt wurde, den Seitenschild erreichte, bevor die bei der Systemrelaxation freigesetzten Laserstrahlen eintrafen. Ursprünglich wurde diese Aufstellung der
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