Die Feuertaufe
Systemkomponenten als »laserverstärkte gravitationsgesteuerte Kernwaffe mit Energiebündelung« (LVGKEW) bezeichnet, doch schon rasch hatte sich der deutlich griffigere Begriff »Laser-Gefechtskopf« durchgesetzt. Diese Neuentwicklung versprach ein Ende des Wettrüstens und brachte der ersten Sternnation, die sich diese Technologie zu eigen machte, einen beachtlichen Vorteil gegenüber all jenen, die das nicht taten. Aberu and Harmon hatten sich in beachtlichem Maße auf Fremdfinanzierung verlassen, um diese Laserfilamente zu entwickeln, geeignete Submunitionen dafür zu finden und Telemetrieverbindungen zu konstruieren, die es dem Rumpf der Rakete selbst und den abgesetzten Gefechtsköpfen ermöglichten, weiterhin koordiniert zu agieren. Doch die Navy der Solaren Liga war alles andere als begeistert von diesem neuen Waffensystem, das die unangefochtene Vorrangstellung ihrer Flotte destabilisieren mochte. Dank des Einflusses, den die Familie Aberu bei der SLN besaß – und nicht zuletzt dank der Aussicht, die Ersten zu sein, die über ein solches Waffensystem verfügten –, wurden Aberu and Harmon im Jahr 1833 bescheidene Mittel bereitgestellt, um eine kurze Testreihe unter Einsatzbedingungen durchzuführen.
Die Tests führten zu einer Reihe peinlicher Fehlschläge. Die Submunition des Systems ließ sich nur äußerst schwer korrekt positionieren, das gewünschte Ausmaß an Fokussierung war beinahe unmöglich zu erreichen und die Leistung der Filamente war entschieden zu gering, um eine effektive Waffe abzugeben. (Ein Beobachter der solarischen Schlachtflotte beschrieb das System als »blutleer«.) Einige der Probleme ließen sich recht leicht lösen, doch andere waren mit der zur Verfügung stehenden Technik nicht zu beseitigen. Vor allem die Relaxationsvorgänge innerhalb der Filamente erfolgten deutlich schneller als erwartet. Wechselseitige Anschuldigungen und Vorwürfe der Datenfälschung wurden laut, ein ausgewachsener Skandal war die Folge. Dass die Medien ausgiebig darüber berichteten, sorgte dafür, dass der Laser-Gefechtskopf zumindest kurzzeitig auch öffentliches Interesse genoss. Auf diese Weise wurden auch Astral Energetics Ltd. auf diese neue Technologie aufmerksam. Man witterte eine Gelegenheit: Aberu and Harmon wurden aufgekauft und sämtliche Forschungsunterlagen zusammengetragen. Rasch wurde ein Forschungsprogramm aufgestellt, bei dem Stück für Stück die einzelnen Schwachstellen erkundet wurden. Da Astral in gewaltigen Stückzahlen Pauschalangebote auf dem Gebiet der Gravitations- und der Kernphysik absetzte – sowohl für militärische Zwecke wie auch zur Rohstoffgewinnung und zur wissenschaftlichen Nutzung –, war auch die langfristige Finanzierung dieses ausgedehnten Forschungsprogramms gesichert, das auf verschiedenen Industrieplattformen im 70-Virginis-System durchgeführt wurde. Insgesamt dauerte die Arbeit mehr als dreißig Jahre, doch im Jahr 1866 wurde schließlich die erste Schiff-Schiff-Rakete mit Impellerantrieb und funktionsfähigem Laser-Gefechtskopf vorgestellt. Der entscheidende Fortschritt, der den Laser-Gefechtskopf überhaupt erst ermöglichte, ergab sich durch die Perfektionierung der Gravlinsenaufstellung, die deutlich schärfere Fokussierung ermöglichte als alle bisherigen Versuche. Diese neue Aufstellung steigerte die auf die Filamente übertragene Energie und führte zu einer beachtlich gesteigerten Laserleistung. Zugleich hatte sie den erfreulichen Nebeneffekt, dass die restliche Energie der Bombe, die nicht an der Anregung der Filamente beteiligt war, in einem engen Konus gebündelt wurde. Dies führte zu einer drastisch gesteigerten Abstandswirkung und sorgte dafür, dass diese neu entwickelte Waffe sehr viel effektiver gegen Zielobjekte war, die durch aktive Abwehrsysteme geschützt wurden 2 .
Doch nachdem Astral nun ein neues Produkt vorzuweisen hatte, musste die Geschäftsführung feststellen, dass der ursprünglich angedachte Käufer keinerlei Interesse mehr daran besaß. Es war zu viel Zeit vergangen, und die unerfreulichen politischen Auswirkungen der von Aberu and Harmon durchgeführten ersten Testläufe hatten das gewohnheitsmäßige Desinteresse der SLN an jeglicher destabilisierender Technologie in eine unverhohlene Abneigung allem gegenüber verwandelt, das den Status quo in irgendeiner Weise veränderte. Die SLN war fest davon überzeugt, diese Waffe stelle nichts als eine bestenfalls kurzfristig interessante Neuheit dar, und so wies man jahrelang
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