Die Feuertaufe

noch keinen sonderlich hohen militärischen Rang bekleidet hatte. Seitdem war sie in der Hierarchie der manticoranischen Flotte stetig aufgestiegen. Weiss’ Vorgesetzter war ihr sogar persönlich schon einmal begegnet, und Weiss wusste, dass Harringtons Hinrichtung, begründet mit erfundenen und erlogenen Anklagepunkten, die Andermaner noch mehr gegen Haven aufgebracht hatte.
    Doch jetzt war die Wahrheit über besagte »Hinrichtung« der gesamten Galaxis bekannt – und ebenso das schmutzige kleine Geheimnis der Havies. Pierre und Saint-Just würden sich jetzt enorm anstrengen müssen, ihre eigenen Hälse zu retten, wenn dieser Feuersturm erst einmal durch das All fegte. Und Weiss wusste genau, wie gefährlich diese beiden Männer werden konnten, wenn sie sich in die Ecke gedrängt fühlten.
    Weiss schob die Note beiseite und aktivierte seinen Computer. Zunächst einmal galt es jetzt herauszufinden, was und wo dieser »Karavani« eigentlich war.
    Natürlich war es ein System der Havies, dabei aber so klein und unbedeutend, dass die gesamte Beschreibung kaum drei Seiten umfasste. Es war ein Grenzsystem, gänzlich unbewohnt, von einer kleinen Bergbau-Operation in den Ringen des fünften Planeten und einer Transferstation für Kuriere im Orbit desselben Planeten einmal abgesehen. Es war in etwa der letzte Ort im ganzen bekannten Weltraum, den ein Reisender freiwillig würde aufsuchen wollen.
    Es sei denn natürlich, besagter Reisender würde Konterbande befördern: Waffen und Gerätschaften aus Solly-Beständen. Bei der dritten besagter drei Seiten über dieses System handelte es sich um einen Bericht des andermanischen Geheimdienstes, in dem die Vermutung aufgestellt wurde, das System werde von Solly-Sympathisanten dazu genutzt, offiziell unzulässige Technologie insgeheim der Volksrepublik zugänglich zu machen.
    Wollte Charles darauf hinaus? Wollte er Mitarbeiter des Andermanischen Kaiserreichs dazu bewegen, die Augen offen zu halten und zu schauen, ob sie nicht Sollys und Havies dabei ertappen konnten, gegen die Neutralität der Liga zu verstoßen?
    Wieder warf Weiss einen Blick auf die Note. Nein. Selbst wenn es gelänge, sie auf frischer Tat zu ertappen – und das dann tatsächlich auch noch irgendwelche Folgen haben sollte –, war das einfach nicht Charles’ Stil. Ihm ging es immer um das Extravagante, auch wenn er selbst dabei stets darauf achtete, nicht persönlich in Erscheinung zu treten.
    Doch was auch immer im Karavani-System geschehen mochte, Weiss war sich sicher, dass es sich lohnen würde, einen Beobachter dorthin zu entsenden.
    Oder vielleicht sollte er einfach selbst dorthin fahren.
    Er aktivierte das Com und gab den Code für das Büro des Botschafters ein. »Weiss hier«, meldete er sich bei der Sekretärin. »Ich würde gerne mit Botschafter Rubell sprechen, sobald ihm das recht ist.«
    Im Wartungsschacht war es dunkel, eng und stickig, und für ein Schiff, das man erst kürzlich von Grund auf rekonstruiert hatte, war es auch erstaunlich schmutzig. Doch dank seines Einfallsreichtums und seiner bemerkenswerten Gelenkigkeit – einer angeborenen Besonderheit – hatte Charles die Echo-Hardware rasch installiert. So, einer erledigt , sagte er sich, während er durch den öligen Staub robbte. Bleiben noch siebenundzwanzig.
    Mercier hatte alleine auf dem Korridor gewartet, während Charles sich durch die kleine Luke hinter der Abdeckplatte gezwängt hatte. Nun war er nicht mehr alleine. »Bürger Captain«, keuchte Charles, während er sich wieder auf den Korridor mit der deutlich frischeren Luft quetschte. »Was bringt Sie denn hierher?«
    »Ich wollte mich erkundigen, ob Sie Fortschritte machen«, erwiderte Tyler und blickte Charles in offenkundigem Abscheu an. Charles vermutete, dass keines der Besatzungsmitglieder dieses Captains sich jemals während der Erfüllung seiner Pflichten derart dreckig machte. »Außerdem wollte ich eine – Erklärung darüber, was Sie dort eigentlich treiben.«
    »Das ist verständlich«, antwortete Charles. »Bedauerlicherweise ist diese Technologie, wie ich Ihnen bereits gesagt habe, streng geheim. Eigentlich sollte sie sich überhaupt nicht an Bord befinden. Das ist leider alles, was ich zu diesem Thema sagen darf.«
    Tyler verschränkte die Arme vor der Brust. »Machen Sie bei mir eine Ausnahme.«
    Charles schüttelte den Kopf. »Leider …«
    »Machen Sie eine Ausnahme«, wiederholte Tyler, und seine Stimme nahm die Temperatur flüssigen Wasserstoffs