Die Feurige Braut Des Highlanders
kennen, als er sich selber kennt.«
Anice machte große Augen und schien noch etwas sagen zu wollen, bevor sie jedoch dazu kam, fuhr ein scharfer Wind herein durch die offenen Fensterläden. Ein kalter Regenguss fiel prasselnd auf den Tisch und nässte Gelis Gesicht und Kleid.
»Die Läden müssen geschlossen werden«, sagte sie und beugte sich über den Tisch, um daranzukommen, doch kaum hatten ihre Finger sich um das kalte Eisen der Riegel geschlossen, verschwanden die Fensterläden wie durch Zauberhand.
»Aiii!« Erschrocken presste Gelis eine Hand an ihre Brust und sprang zurück, während das Rauschen des Windes zu einem schrillen Summen in ihren Ohren wurde und das hohe Fenster größer und größer wurde, bis Gelis ganz und gar von der Dunkelheit der Nacht umgeben war.
Von irgendwo aus der Ferne hörte sie einen gellenden Schrei und dann ein leises Stöhnen. Sie sank gegen den Tisch - oder irgendetwas anderes, das hart und fest war -, und das kalte Eisen des Fensterscharniers bewegte sich unter ihrer Hand und verwandelte sich in einen der nassen, von Napfschnecken verkrusteten Steine, wie sie am Strand von Eilean Creag lagen.
Mit wild klopfendem Herzen hielt Gelis ihn fest umklammert, als ihre Finger an dem nassen Seetang daran abzurutschen drohten. Das Summen in ihren Ohren wurde fast unerträglich, aber dann brach es plötzlich ab, und absolute Stille trat ein. Die Dunkelheit um sie herum begann sich zu bewegen, hellte sich langsam zu einem silbernen Schimmern auf.
Zu einem glänzenden, transparenten Vorhang, durch den Gelis Eilean Creags massive Burgmauern und das rückwärtige Tor sehen konnte, die glänzenden Gewässer des Loch Duich und ihre geliebten Gipfel von Kintail, die sich dahinter erhoben.
Und er war auch dort.
Hoch über dem See trugen ihn seine großen Schwingen durch die Luft, als er seine Kreise drehte und aus seinen scharfen schwarzen Augen zu ihr herunterblickte. Vor Aufregung verlor sie den Halt in dem glitschigen Felstümpel, fiel auf die Knie und sah nur noch, wie der Rabe aus der Luft verschwand, hörte sie, wie ihre eigenen Worte zu ihr zurückkamen.
Ich habe genug gesehen, um ihn zu kennen ...
Und dann sah sie ihn wirklich.
Aber diesmal war es der Mann, der aus den Nebelschleiern heraustrat, sein glänzendes schwarzes Haar zerzaust vom Wind, mit einem Schwert an der Seite und einem goldenen Reif um seinen Hals, dessen Glanz Gelis' Aufmerksamkeit gefangen nahm.
Ich habe genug gesehen ... Die Worte wollten ihr nicht mehr aus dem Kopf und hämmerten in ihren Ohren.
Über den Strand kam er auf sie zu und blieb dicht vor ihr stehen, ein leidenschaftlicher, heißblütiger Mann, dessen dunkle Augen sprühten.
Er beugte sich zu ihr herunter, packte sie am Arm und zog sie unsanft auf die Füße. »Ihr habt gesehen, was ich Euch sehen lassen wollte. Ihr wisst überhaupt nichts von mir.«
Gelis schwankte, und ihr drehte sich alles vor Augen. »Ich ...«
»Seid froh, dass es so ist!« Er zog sie jäh an seine Brust und küsste sie, heiß und fordernd - um den Kuss genauso schnell wieder zu beenden, sodass sein Griff um ihre Schultern das Einzige war, was sie noch aufrecht hielt.
Schwer atmend schaute er sie an, sein Blick durchdringender denn je. »Gebe Gott, dass du die Wahrheit nie erfährst.«
Damit verschwand er und Eilean Creags schmaler Strand und die Gewässer des Loch Duich mit ihm.
Nur der nasse, glitschige Fels blieb, an dem Gelis sich festklammerte, bis sich der Nebel verzog und auch die Steine mitnahm. Der von Seetang überzogene Fels war wieder der kalte Fensterriegel und der leere, regennasse Tisch vor Ronan MacRuaris Schlafzimmerfenster.
»Ooooh, mein Gott!« Anice' Stimme vertrieb die letzten Schimmer der Vision. »Ihr seid ja kreidebleich«, rief sie und ergriff beunruhigt Gelis' Arm. »Fühlt Ihr Euch nicht wohl? Soll ich die Kräuterfrau holen? Der Rabe ...«
»Nicht nötig. Mir geht es gut.« Die Hand noch am Fensterriegel, richtete sich Gelis auf. »Es war nur ein anstrengender Tag. Zuerst die lange Reise und nun auch noch dieses Zimmer hier«, versuchte sie eine halbwegs glaubwürdige Erklärung zu suchen, die nicht ans Licht bringen würde, wie sehr sie Ronan brauchte.
Und er sie.
Überzeugter denn je, dass es so war, hielt Gelis die Fensterläden fest und schaute hinaus in die undurchdringlich schwarze Nacht mit den tief am Himmel dahinjagenden Wolken. Hinter den Burgmauern erhoben sich die schottischen Kiefern, die Glen Dare bewachten, in tiefster
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