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Die Fieberkurve

Die Fieberkurve

Titel: Die Fieberkurve Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
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sah etwas anderes. Eine Schrift kam zum Vorschein! Eine Schrift!«
    Herr Rosenzweig wartete und hoffte augenscheinlich auf eine Regung der Neugier, wenigstens bei einem seiner Zuhörer. Aber keiner tat einen Wank. Murmann balancierte auf einer Ecke des Schreibtisches, der kleine Reinhard betrachtete das glühende Ende seiner Zigarette, Studer zündete umständlich seine erloschene Brissago an und Kommissär Gisler machte eifrig Notizen auf den Rand eines Aktenstückes. In der Stimme des Fürsprechs schwang Enttäuschung mit, als er fortfuhr:
    »Eine Schrift! Wo konnte sich die Schrift befinden? Auf der einen Seite des Schriftstückes befand sich eine Fieberkurve, die andere Seite war weiß. Ich prüfte den Rand mit der Hand... Zwei Dokumente waren zusammengeklebt worden. Wasserdampf. Trocknen. Und dann konnte ich das Testament lesen...«
    Da kam Leben in die vier.
    »Testament?« fragte Gisler. »Chabis!« sagte Murmann. »Das chönnt...«, meinte Reinhard, aber er beendete den Satz nicht.
    Studer reichte das Schriftstück dem Kommissär Gisler. Ein Kopf links, ein Kopf rechts, im ganzen drei Köpfe beugten sich über das Schriftstück. Zum Überfluß las der Stadtkommissär noch halblaut.
Mein Testament.
    »Ich Endesunterzeichneter, Cleman Alois Victor, Geologe, von Frutigen, Bern, bestimme folgendes: Mein Vermögen, bestehend aus einem Stück Land in der Größe von acht Hektar, rund um das im südlichen Marokko gelegene Dorf Gurama, vermache ich zur Hälfte meiner Tochter Marie Cleman, geboren am 12. Februar 1907 zu Basel, und zur anderen Hälfte dem Kanton Bern zur freien Verfügung. Bei Annahme des Vermächtnisses verpflichtet sich der Kanton Bern dafür zu sorgen, daß der Erlös, der aus den besagten Grundstücken erzielt werden könnte, zur Hälfte meiner obengenannten Tochter zur freien Verfügung überwiesen wird. Der Kauf besagter Grundstücke ist ordnungsgemäß sowohl nach französischem Recht als auch nach dem in Gurama geltenden mohammedanischen Recht getätigt worden. Ich habe auf den in den fraglichen Dokumenten näher angegebenen Grundstücken das Vorkommen von Erdöl festgestellt und wird selbiges Land nach etwa fünfzehn Jahren einen annähernden Wert von zwei bis drei Millionen Franken repräsentieren. Die Dokumente, die meine Rechte auf besagtes Landstück beweisen, sind in einer Eisenkassette vergraben worden an einem Orte, der mit Hilfe des beigehefteten Dokumentes leicht zu entdecken sein wird. Ich habe Auftrag gegeben, daß besagtes Dokument zusammen mit meinem Testament fünfzehn Jahre nach meinem Tode an meine Gemahlin, Frau Josepha Cleman-Hornuss, Basel, Rheinschanze 12, gesandt wird. Falls an diesem Zeitpunkt meine Frau gestorben sein sollte, so ist Vorsorge getroffen, daß meine Tochter in den Besitz des Dokumentes gelangt.
    Fez, 18. Juli 1917.
    sig. Alois VictorCleman.«
    Stadtkommissär Gisler lehnte sich zurück und begann mit seinem Bleistift auf seinen Zähnen Xylophon zu spielen. Murmann richtete sich auf und verschränkte die Arme über der Brust, der kleine Reinhard fischte ein kanariengelbes Päckli aus seiner Hosentasche und klopfte gedankenvoll eine Zigarette auf seinem Daumennagel zurecht. Die Stille im Raum wurde durch Altfürsprech Rosenzweig unterbrochen, der trocken meinte:
    »Ich weiß nicht, ob die Herren wissen...« – »Die Herren«, sagte er! –, »daß sowohl Shell als auch Standard-Oil um neue Ölfelder kämpfen wie im Mittelalter der Teufel und der liebe Gott um eine arme Seele... So daß allen menschlichen Berechnungen zufolge die von Herrn Cleman erworbenen Petroleumfelder wahrscheinlich das Drei- oder Vierfache wert sind... Nicht zwei Millionen – nein, sechs oder acht... Und zwar Schweizerfranken... Das brächte dem Kanton Bern drei bis vier Millionen ein... Und da der Kanton als Testamentsvollstrecker vorgesehen ist, so wird diese Summe noch erhöht durch die Provision, die der Kanton verlangen kann... Viereinhalb Millionen... Nicht übel? Was?«
    »Und das Testament ist rechtsgültig?« fragte Kommissär Gisler.
    »Nach französischem Recht so rechtsgültig als möglich. Es ist olograph. Von der Hand des Testators geschrieben, datiert, signiert. Und da es sich, vom Standpunkt des internationalen Rechtes, besonders um die Haltung Frankreichs handeln wird, so brauchen wir uns keinen Kummer zu machen. Ich glaube, der Kanton wird das Geld brauchen können.«
    »Deich wou!« sagte Murmann trocken und zündete seine Pfeife an.
    Der kleine Reinhard meinte, mit

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