Die fiese Meerjungfrau
stellte sich auf die Zehenspitzen und musterte seinen Hals. »Ich sehe gar keine Kiemen!«
»Als mein Bruder Lirea heiratete, wurde sie dadurch nach Hiladi-Recht zu meiner Schwester.« Er wandte sich wieder an Armand. »Sehr zur Bestürzung meiner Eltern, fürchte ich. Monatelang bewahrte ich sein Geheimnis, doch nach seiner Ermordung blieb mir keine Wahl. Nur die Intervention meiner Mutter hielt meinen Vater davon ab, Gustans Namen aus den kaiserlichen Geschichtsbüchern streichen zu lassen.«
Schnee verschränkte die Arme. »Er hätte niemals -«
»Uns ist zu Ohren gekommen, dass Lirea und Gustan nie geheiratet haben«, schnitt Danielle ihr das Wort ab. »Dass Euer Bruder Lirea nur benutzt hat.«
Varistos Miene verfinsterte sich, und er machte einen Schritt auf Danielle zu. »Mein Bruder war ein guter Mensch!«
Talia stellte sich zwischen sie und verschränkte die Arme, beinahe so, als wollte sie ihn angreifen. Armand räusperte sich, und die Wachen traten näher heran.
Varisto rang sichtlich um Fassung und richtete dann den Blick auf die Phillipa. »Ich war dabei, als Lirea meinem Bruder das Leben rettete. Sie schwamm die ganze Nacht durch und hielt ihn an sich gedrückt. Die Reise hätte auch die stärkste Undine erschöpft, aber Lirea war entschlossen. Ich erinnere mich noch an die Vernarrtheit in ihrem Gesichtsausdruck, die Art, wie ihr Blick auf ihm verweilte, als er ans Ufer taumelte. Sie war so ein unschuldiges Mädchen, so voller Freude. Ich ... ich machte mir Sorgen, Gustan könnte eine solche Liebe ausnutzen. Mein Bruder hatte seinen Teil an Eroberungen; je exotischer, desto besser. Aber habt Ihr gesehen, wie die Winde Lireas Wünschen Folge leisten?«
»Die Luftgeister, ja.« Danielle sah nach oben. Der Himmel war bewölkt, aber die Böswilligkeit von Lireas Winden lag nicht mehr in der Luft. »Wir wissen darüber Bescheid.«
»Diese Geister haben meiner Familie seit Generationen gedient - meiner Familie und keiner anderen. Keine Meerjungfrau könnte sie kommandieren, es sei denn, sie ist mit dieser Familie verbunden.« Er beobachtete immer noch das Schiff. »Das ganze vergangene Jahr über habe ich einen Weg gesucht, Morveren zu erreichen. Ich konnte meinen Bruder nicht beschützen, aber ich habe geschworen, seine Mörderin ihrer gerechten Strafe zuzuführen.«
»Ihr wisst, dass Morveren für Gustans Tod verantwortlich ist?«, fragte Danielle.
»Ich weiß, dass Lireas Schwestern über ihre Liebe zu einem Menschen nicht erfreuter waren, als meine Familie es gewesen wäre. Ich weiß, dass sie ein Komplott mit Morveren geschmiedet haben, um diese Beziehung zu beenden, und dass es Morveren war, die mit ihrer Zauberei Lirea gezwungen hat, meinen Bruder zu töten.« Er seufzte und drehte sich wieder so, dass er Danielle anblickte. Er trat gerade so nah an sie heran, dass ihr seine Überlegenheit an Größe und Kraft vor Augen geführt wurde. »Lirea will ihre Schwestern für diesen Verrat tot sehen, aber ich werde nicht um Lannadae bitten. Gebt mir einfach nur Morveren.«
Zum ersten Mal ergriff Armand das Wort, und seine Stimme war hart. »Das klingt verdächtig nach einer Forderung, Euer Hoheit.«
Varisto verneigte sich leicht. »Nichts für ungut, Prinz Armand, aber ich muss darauf hinweisen, dass es Eure Frau war, die in Hiladi-Gewässer eindrang und versuchte, meine Schwester zu ermorden. Erführe mein Vater hiervon, er wäre weitaus ... fordernder ... als ich.«
Schnee starrte ihn an. »Die Nordküste Hilads ist Ödland. Woher wollt Ihr von irgendeinem Eindringen wissen?«
Varisto lächelte dünnlippig.
Danielle legte Schnee die Hand auf die Schulter. »Unsere Königin ringt mit dem Tode, Prinz Varisto. Morverens Wissen könnte ihr Leben retten. Ich werde nicht Beatrice opfern, damit Ihr Eure Rache haben könnt. Und jetzt tretet bitte zur Seite!«
»Und dennoch habt Ihr Eure Rückkehr verzögert, um in mein Land einzudringen und meine Schwester anzugreifen?« Seine Armbänder stießen klirrend aneinander, als er mit der Faust auf seine Handfläche schlug. »Wenn Ihr weiterhin mit dieser Mörderin gemeinsame Sache macht, dann werdet Ihr -«
»Ihr habt die Phillipa ohne Warnung angegriffen.« Danielle brach die Stimme, als sie an die Toten dachte, die sie ins Meer herabgelassen hatten. Mit Hiladi und Undinen waren über dreißig Leute gestorben, seit sie Lorindar verlassen hatten. Einer der letzten davon war James gewesen. Hephyra hatte ihnen allen eine Seebestattung gegeben. Danielle
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