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Die fiese Meerjungfrau

Die fiese Meerjungfrau

Titel: Die fiese Meerjungfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim C. Hines
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Meeresfrüchte zu essen, wäre sie vielleicht sogar in Allesandria geblieben, auch wenn das bedeutet hätte, der Verurteilung zum Tode für die Ermordung ihrer Mutter, der Königin, entgegenzublicken.
    Obwohl sie nie darüber sprach, gab es Tage, an denen sie sich danach sehnte, hinauszublicken und nicht den endlosen Ozean, sondern die zerklüfteten Berge mit ihren schneebedeckten Gipfeln zu sehen.
    Der Ort, an dem sie sich am meisten zu Hause fühlte, lag tief unter dem Palast, in einem Raum, den sie sowohl als Bibliothek wie auch als Laboratorium für sich in Anspruch nahm. Bücher auf Regalen aus geöltem Holz säumten die Wände, die aus nacktem Stein bestanden, genau wie es in ihrem Zimmer in Allesandria der Fall gewesen war. Der blaue und goldene Teppich in der engmaschigen Webart von daheim musste ein Vermögen gekostet haben. Beatrice hatte ihn vor zwei Jahren als Geburtstagsgeschenk für Schnee importiert.
    Jetzt verunzierten Flecke und Brandspuren den Teppich - die Folge von zwei Jahren magischen Experimentierens.
    Das wertvollste Artefakt im Raum, einer der wenigen Gegenstände, die Schnee aus Allesandria hatte herausschmuggeln können, war der Zauberspiegel, der an der Wand hing. Aus Platin gegossene blühende Schlingpflanzen umrahmten den ovalen Spiegel, der größer als Schnee selbst war. Von Zeit zu Zeit, nicht sehr oft, schlich Schnee sich nach hier unten und bat den Spiegel, ihr die Berge von daheim zu zeigen.
    Heute hätte sie am liebsten einen Stuhl durch das Glas geschmettert. Sie saß auf einem Fass und trommelte mit den nackten Fersen gegen das Holz, während sie den Spiegel wütend anfunkelte. Der Spiegel warf ihr Funkeln geradewegs zurück.
    »Spieglein, Spieglein, an die Arbeit, marsch! Finde Lirea, oder ich tret' dir in den -«
    »Wie genau tritt man denn einem Spiegel in den Arsch?«, fragte Talia, die in diesem Moment durch den Torbogen den Raum betrat.
    »Das war bildlich gesprochen.« Schnee rieb sich die Augen und schnitt eine Grimasse. Ihre Gelenke waren steif, und ihre Augen fühlten sich an, als hätte Danielle sie bei einem ihrer Putzgelage gescheuert. »Wie lang hab ich -«
    »Ungefähr eine Stunde.« Talia setzte sich auf den Boden und verschränkte die Beine unter sich. »Ich nehme an, es ist dir nicht gelungen, Lirea zu finden?«
    »Einmal habe ich einen flüchtigen Blick auf sie erhascht. Sie war irgendwo im Wasser.«
    »Na, das grenzt es zweifellos ein.«
    Schnee streckte die Hand aus und berührte den Platinrahmen des Spiegels. Sie hatte einen Zauberspruch nach dem anderen probiert und dabei sowohl nach Beatrice als auch nach Lirea gesucht. Ihre ersten Bemühungen, Beatrice zu finden, waren von einer magischen Abwehr vereitelt worden. Als sie darin Vater Isaacs Zauber erkannte, hatte sie es noch einmal versucht und sich diesmal auf Beas Geist konzentriert. Der Spiegel hatte nur Dunkelheit enthüllt. »Meine Mutter wäre in der Lage gewesen, sie zu finden.«
    Sie studierte ihr Spiegelbild genauer und betrachtete die weißen Strähnen, die sich hier und da durch ihre Haare zogen. Bei den Haaren ihrer Mutter war es umgekehrt gewesen, weiß mit schwarzen Strähnen.
    »So wie ich mich erinnere, hast du deine Mutter besiegt«, entgegnete Talia. »Zweimal. Alles, was sie zustande bringen konnte -«
    »Ich habe gemogelt.«
    Talia schüttelte den Kopf. »Wenn man um sein Leben kämpft, dann gibt es so etwas wie Mogeln nicht.«
    Schnee lächelte geistesabwesend. »Sie hat versucht, mich zu unterrichten, als ich jünger war. Bei jedem Zauber, den wir wirkten, konnte ich spüren, wie ihre Macht in mich kroch. Wenn ich jetzt zurückblicke, dann habe ich den Verdacht, sie hoffte, meinen Körper so vorzubereiten, dass sie ihn für sich selbst beanspruchen könnte, wenn sie zu alt würde. Damals habe ich es allerdings nicht begriffen. Wenn wir übten, wusste ich nur, dass ich das Gefühl von ihren Händen auf meinen nicht mochte, oder die Albträume, die ich anschließend hatte. Also gab ich vor zu versagen, bis sie meinte, ich würde es nie lernen, und es aufgab.«
    Neue und einfallsreiche Wege zu versagen zu finden, war das Beste an diesen Unterrichtsstunden gewesen. Von einem Levitationszauber, der die Asche aus der Feuerstelle schießen ließ, bis hin zu jenem Schlaftrunk, der zu flüssigem Stuhlgang führte: Es hatte nicht lange gedauert, bis Schnees Mutter sie für magisch wertlos erklärt hatte. Obwohl es genau das war, was Schnee gewollt hatte, hatte ein Teil von ihr das Ende der

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