Die fiese Meerjungfrau

schwamm hinter sie. Sie ergriff sie hinten am Hemd und stützte sie ab, während Schnee sich erholte. Auch ohne Schwänze war Morveren eine gute Schwimmerin, und die Flossen an den Seiten ihrer Stümpfe hielten sie beide über Wasser. Getragen vom Wasser, bewegte sich die Meerjungfrau müheloser als an Bord des Schiffes.
    Schnees Blut trieb wie Rauch durchs Wasser. »Ich glaube, die Runen sind mir lieber.«
    Morveren lachte. »Wenn Zaubern einfach wäre, würde jeder es machen.«
    Der zweite Schnitt war schwieriger. Jetzt, da sie wusste, wie sehr es brennen würde, musste sie sich dazu zwingen, so fest zu drücken, dass die Haut eingeritzt wurde. Morveren hielt sie, bis sie fertig war.
    »Drück die Beine zusammen und versuch, den Zauber zu wirken! Der Schmerz wird dir helfen, dich zu konzentrieren! Richte deine Gedanken auf die Gestalt, die du annehmen willst!«
    Schnee nickte und begann, die Worte herunterzuleiern, die sie aus den Zauberbüchern ihrer Mutter gelernt hatte.
    »Nicht sprechen!«, wies Morveren sie an. »Singen! Alle gesprochenen Worte dieser Welt können es nicht mit der Macht eines einzigen Liedes aufnehmen. Sing für deine Ohren allein, so wie du es bei der Katze gemacht hast. Zwinge dein Fleisch, dir zu gehorchen!«
    Schnee tat wie geheißen und improvisierte eine einfache Melodie, die zu den Worten passte. Sie spürte, wie die Haut an ihren Beinen sich zusammenzog, aber es reichte nicht. Dann gesellte Morveren ihre Stimme zu der von Schnee hinzu.
    »Es funktioniert!« Sie merkte, wie ihre Beine aneinanderhafteten, als verbände ein einziger Schorf beide Schnitte.
    »Jetzt nimm deine Kraft zusammen, Kind!«
    Schmerz schoss wie Feuer durch Schnees Beine. Ihr Körper spannte sich bis zum Zerreißen und entzog sich Morverens Griff. Schuppen durchbohrten ihre Haut an tausend Stellen. Sie wollte schreien, und Meerwasser strömte in ihren Mund. Gelenke sprangen auf, und Knochen krachten gegeneinander. Muskeln rissen und formten sich um. Sie krümmte sich, und das Meer schlug über ihrem Kopf zusammen.
    Morveren zog sie an die Oberfläche, wo Schnee nach Luft schnappte.
    »Du kannst Wasser atmen, ist dir das klar?«, sagte Morveren.
    Tränen strömten über Schnees Gesicht, sodass sie nur noch verschwommen sehen konnte. Die Schmerzen ließen bereits nach. »Wieso kann ich nicht aufhören zu weinen?«
    »Größere Tränenkanäle«, erklärte Morveren. »Das ist eine der Methoden, wie wir unsere Körper von überschüssigem Salz befreien.«
    Schnee schluckte und versuchte, zu zittern aufzuhören.
    »Du hast dich tapfer geschlagen, Kind.«
    Schnee legte sich zurück und hob den Schwanz aus dem Wasser. Ihre Schuppen waren tiefrot, wie die von Morveren. Sie lachte, obwohl das Geräusch, das dabei herauskam, einem Schluckauf ähnlicher war. »Das habe ich! Aber warum nur ein Schwanz? Wieso nicht zwei, so wie du?«
    »Weil dies die Gestalt ist, die du dir vorgestellt hast«, erwiderte Morveren. »Ich gebe zu, ich habe bei dieser Vorstellung ein bisschen nachgeholfen. Mit zwei Schwänzen zu schwimmen ist komplizierter, und ich habe nicht die Zeit, dir beizubringen, wie man damit umgeht.«
    Schnee wirbelte im Wasser herum und schlang die Arme um Morveren. »Danke!«
    Morveren lachte und schob sie weg. »Das reicht! Wirst du mir jetzt helfen, diesen Garten zu zähmen oder nicht?«
    Schnee ließ die Hände über ihren Körper wandern. Ihr Hemd spannte unangenehm an ihrem Oberkörper. »Ich bin pummelig!«
    »Du bist gesund«, korrigierte Morveren sie. »Folge mir! Wenn wir Glück haben, hast du es nur mit den Pflanzen zu tun. Setze deine Zauberkraft ein, um sie zu beruhigen. Ich werde tun, was ich kann, um dir zu helfen.«
    »Was ist, wenn wir kein Glück haben?«
    »Kämpfe nur, wenn du musst. Die Magie rund um diesen Ort lag bisher größtenteils im Schlummer. Wessen du dich auch gegenübersiehst, versuche einfach, es wieder einzulullen. Und vergiss nicht zu atmen!«
    Schnee schlug versuchsweise mit ihrem neuen Schwanz aus. Lange Flossen kräuselten sich an den Seiten, aber sie war sich nicht sicher, wie sie sie bedienen sollte. Sie tauchte unter, aber ihr Körper schien starken Auftrieb zu haben und zog sie an die Oberfläche zurück. Sie verstärkte ihre Schwanzschläge und paddelte mit den Armen, um hinter Morveren herzusteuern.
    Ihre Brust fing bereits zu schmerzen an, also machte sie den Mund auf und nahm einen vorsichtigen Schluck Salzwasser.
    Sofort begann sie zu würgen und zu husten, krümmte sich und