Die fiese Meerjungfrau
kostet sie viel weniger Anstrengung, als sie gegen eure Hiladi-Freunde aufgewandt hat.«
Talia schien drauf und dran, Morveren über Bord zu werfen, aber Schnee sprach zuerst. »Ich will das lernen, Talia!«
»Sie hat Lireas Verstand zerstört!«, empörte sich Talia. »Du darfst nicht riskieren, dass -«
»Sie hat es nicht gewollt«, hielt Schnee ihr entgegen. »Morveren hat versucht, ihr zu helfen; es ist nicht ihre Schuld, dass Gustan sie verraten hat.«
»Meine Eltern haben auch versucht, Zauberei einzusetzen, um mir zu ›helfen‹. Erinnerst du dich noch?« Talias Stimme war kalt. »Es gibt immer einen Preis.«
»Dann werde ich ihn zahlen!«, sagte Schnee. »Würdest du nicht dasselbe tun, um Beatrice zu helfen?«
»Es wird nicht ohne Schmerzen vonstattengehen«, sagte Morveren.
»Ich habe Talias angebranntes Nadif-Hühnchen gegessen. Ich kann mit Schmerzen umgehen.« Schnee grinste Talia an. »Keine Bange, ich werde vorsichtig sein!«
»Das wäre das erste Mal«, brummte Talia.
Schnee streckte ihr die Zunge raus.
»Ich werde Hephyra berichten, was vor sich geht«, erklärte Danielle.
»Sie weiß es schon.« Schnee tätschelte die Reling. »Dieses Schiff ist ihr Baum, schon vergessen? Denkst du, sie hat nicht jedes Wort gehört, das wir gesprochen haben?« Damit reichte sie Talia ihren Hut, zog die Schuhe aus und sprang über Bord.
Selbst hier, am Rand des Seetangteppichs, bremsten die Pflanzen ihr Eintauchen. Sie konnte Morverens Zauberei in den strangartigen Stängeln fühlen, als diese versuchten, sie in die Tiefe zu ziehen, aber die Magie war hier am schwächsten. Mit ein paar Beinschlägen war sie an der Oberfläche und befreite ihre Füße von den Pflanzen, als Morveren neben ihr ins Wasser eintauchte.
»Komm schnell wieder zurück, Großmutter!«, rief Lannadae.
Vom Heck aus winkte Hephyra den beiden zu. »Ich wende und ankere in freierem Wasser, wo die Kette sich nicht im Tang verfängt. Versucht, euch nicht fressen zu lassen!«
»Das ist die geringste unserer Sorgen!«, rief Morveren zurück. Sie schwamm zu Schnee. »Erzähl mir, was du übers Gestaltwandeln weißt!«
Schnees Herz hämmerte. »Ich kenne die Theorie. Runen, die auf die Haut gemalt werden, um die gewünschte Gestalt zu formen, und dann -«
»Undinen bringen nicht viel Zeit mit Zeichnen zu«, meinte Morveren trocken. »Runen sind nur eine Möglichkeit, um die Magie zu formen.« Sie griff mit einer Hand nach unten und zuckte zusammen, als sie sich eine abgebröckelte Schuppe aus der Hüfte drehte. »Wenn du nicht willst, dass diese Hose mit deinem Fleisch verschmilzt, solltest du sie besser loswerden.«
Schnee hielt die Luft an, tauchte unter die Wellen und befreite sich strampelnd von Hose und Unterwäsche. Es war etwas herrlich Ungezogenes an dem Gefühl, halb nackt im Meer zu treiben. Sie rückte ihren Gürtel zurecht und zog ihn weiter nach oben übers Hemd. Das Sonnenlicht, das sich auf der Wasseroberfläche spiegelte, würde ihre Sittsamkeit vor neugierigen Blicken vom Schiff bewahren.
Schnee rollte ihre Sachen zu einem Ball zusammen und drückte sie an den Schiffsrumpf. Ein schneller Spruch, und ein Eisfleck breitete sich von den Kleidern aus und fror sie ans Holz, wo sie ihre Rückkehr abwarten konnten.
»Wenn ihr Menschen nicht so mager wärt, würdet ihr die ganzen Kleider vielleicht gar nicht brauchen«, brummte Morveren. »Ein Wunder, dass ihr euch im Winter nicht zu Tode friert!«
Der Seetang kitzelte Schnee in den Kniekehlen und brachte sie zum Kichern.
»Hör auf damit!« Morveren drückte ihr die Schuppe in die Hand. »Schneide eine Linie entlang der Innenseite beider Beine, so tief, dass es blutet. Keine Angst, in die Nähe dieser Stelle kommen keine Haie.«
Schnee legte den Rand der Schuppe an ihrem Oberschenkel an. Mit zusammengebissenen Zähnen drückte sie, bis die Schuppe die Haut durchstieß, und zog sie anschließend nach unten. Blut war eine allgemein gebräuchliche Zutat für viele Arten von Zauberei, aber normalerweise fand sie eine weniger empfindliche Stelle, von der sie es bezog. Mit zischendem Atem beendete sie den Schnitt. Sie trat auf der Stelle, um den anfänglichen Schmerz verklingen zu lassen, ehe sie sich dem anderen Bein widmete. Sie musterte die Schuppe: Der Rand war völlig ausgezackt. Kein Wunder, dass es wehtat! »Mein Messer wäre weniger schmerzhaft gewesen.«
»Die Schuppe gibt deinem Körper eine Kostprobe davon, welche Form er annehmen soll«, erklärte Morveren ihr und
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