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Die Finkler-Frage - Jacobson, H: Finkler-Frage

Die Finkler-Frage - Jacobson, H: Finkler-Frage

Titel: Die Finkler-Frage - Jacobson, H: Finkler-Frage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howard Jacobson
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Geschichte, Sir?«
    »Fenster, chlapec , Fenster!«
    Er war schon in seiner Heimat eine Art Journalist gewesen, ein Filmkritiker und Klatschspaltenkolumnist mit guten Kontakten, hatte als Egon Slick über das Showgeschäft in Hollywood geschrieben, in den Bars am Sunset Boulevard die schönen Schauspielerinnen belagert, um darüber für die glamourhungrige englische Presse zu berichten, und klärte jetzt Jungen an einer Nordlondoner Oberschule über die Absurditäten der tschechischen Geschichte auf. Falls es aber etwas noch Absurderes als die tschechische Geschichte gab, dann war das seine eigene Biografie.
    Für Malkie gab er Hollywood auf. Sie hatte ihn nie bei seinen Recherchen begleitet, da sie es vorzog, das Feuer daheim im Kamin in Gang zu halten. »Ich mag die Vorfreude«, sagte sie. »Und ich warte gern auf dich.« Doch merkte er bald, dass ihre Vorfreude nachließ. Auch gab es Probleme, mit denen er sie, wie er fand, nicht alleinlassen konnte. Er brach seinen Vertrag und stritt sich mit dem Redakteur. Er wollte mehr Zeit, um darüber
zu schreiben, wo er gewesen war und wen er kennengelernt hatte. Der Lehrberuf gab ihm diese Zeit.
    Von Pacific Palisades nach Highgate, von der Garbo zu Finkler – die steile Kurve seiner Karriere ließ ihn selbst im Unterricht manchmal respektlos auflachen, womit er bei seinen Schülern Punkte machte. Vormittag um Vormittag hielt er den gleichen Vortrag: eine Schmährede auf Hitler und Stalin, gefolgt vom Ersten und – »wenn ihr brav seid« – vom Zweiten Prager Fenstersturz. An manchen Tagen bat er einen der Jungen, die Rede für ihn zu halten, die sie doch so gut kannten. Als auf dem Prüfungsbogen keine Frage zum Ersten, zum Zweiten oder sonst irgendeinem Prager Fenstersturz auftauchte, beschwerte sich die Klasse. »Erwartet nicht von mir, dass ich euch auf euer Examen vorbereite«, sagte er und kniff die bereits verkniffenen Lippen noch fester zusammen. »Es gibt genügend Lehrer, die euch helfen, gute Zensuren zu bekommen. Mir aber liegt daran, euch einen Vorgeschmack auf die große, weite Welt zu geben.«
    Libor hätte ihnen gern von Hollywood erzählt, aber Hollywood stand nicht auf dem Lehrplan. Prag und den Fenstersturz konnte er noch irgendwie im Unterricht abhandeln, nicht aber die Stars und ihre Indiskretionen.
    Er blieb nicht lang. Lehrer, die Fliege tragen und von der großen, weiten Welt reden, bleiben selten lang. Sechs Monate später arbeitete er tagsüber für die tschechische Abteilung im World Service der BBC und schrieb abends an den Biografien einiger der schönsten Frauen Hollywoods.
    Malkie machte das nichts aus. Sie bewunderte ihn und fand ihn lustig. Lustig war besser als absurd. Dass sie ihn lustig fand, hielt ihn bei Verstand: »Und dass sie bei Verstand sind, kann man nun wirklich nicht gerade von vielen Tschechen behaupten«, scherzte er.
    Sooft er Zeit fand, traf er sich auch weiterhin mit den beiden Jungen. Ihre Unschuld fand er unterhaltsam; er selbst hatte jungenhafte
Unschuld nie gekannt. Er ging mit ihnen in Bars, die sie sich allein nicht leisten konnten, bestellte Cocktails, von denen sie nie zuvor gehört und die sie erst recht noch nie probiert hatten, beschrieb detailliert seine erotischen Eroberungen – er benutzte tatsächlich das Wort »erotisch«, an dem seine Zunge hängen blieb, als genügten allein die anzüglichen Silben, um ihn zu erregen – und erzählte von jenem Böhmen, dem er zum Glück entronnen war und das er nicht noch einmal wiederzusehen hoffte.
    Zum Leben kamen, nach Libors Ansicht, unter allen Nationen der freien Welt nur England und Amerika infrage. Er liebte England und kaufte ein, wie seiner Meinung nach Engländer einkauften, besorgte sich parfümierten Tee und Gentleman’s Relish bei Fortnum & Mason und erstand seine Hemden und Jacketts in der Jermyn Street, wo er sich morgens, sooft er es sich leisten konnte, eine Rasur und heiße Gesichtstücher gönnte. Als Finkler sprach er sich gelegentlich auch für Israel aus, wollte wohl eher aber dessen Existenz einigen Leuten unter die Nase reiben, dachte Treslove, als selbst dort leben. Wenn Libor das Wort Israel aussprach, dann rollte er das R, als gäbe es drei davon, und das L ließ er fallen, wie um anzudeuten, dass dieses Land dem Allmächtigen gehörte, weshalb er es nicht über sich brachte, seinen Namen in voller Länge auszusprechen. So gingen Finkler eben mit Sprache um, sagte sich Treslove. Wenn sie nicht mit ihr spielten, machten sie etwas Heiliges

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