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Die Finkler-Frage - Jacobson, H: Finkler-Frage

Die Finkler-Frage - Jacobson, H: Finkler-Frage

Titel: Die Finkler-Frage - Jacobson, H: Finkler-Frage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howard Jacobson
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nicht nötig.«
    »Hast du mit der Polizei gesprochen?«
    »Die Polizei hat mit mir gesprochen.«
    »Wurde Anklage erhoben?«
    »Ja, gegen mich.«
    »Gegen dich?«
    »Na ja, wird zumindest erwogen. Hängt von den anderen ab.«
    »Warum sollten die erwägen, Anklage gegen dich zu erheben? Ist denn die ganze Welt verrückt?«
    In dem Augenblick kam Blaise ins Zimmer und brachte Kaffee für alle. Finkler sah sie verstört an.
    »Ich war dabei«, sagte sie. »Dein verrückter Sohn hat angefangen. «
    »Wie meinst du das? Womit hat er angefangen?«
    »Wir sind hier doch nicht in einer mündlichen Prüfung, Dad«, sagte Immanuel vom Bett aus und griff wieder nach seiner Zeitschrift. Sollten sein Vater und seine Schwester die Sache regeln. Schließlich hatte sie ihn ja auch angerufen.
    »Blaise, du hast mir gesagt, er hätte Ärger mit Antisemiten gehabt. Aber wie fängt man Ärger mit Antisemiten an? Hüpft man auf der Stelle und schreit: ›Ich bin Jude, kommt und schnappt mich‹?«

    »Er hat sich doch gar nicht mit Antisemiten angelegt. Es war genau anders herum.«
    »Wie? Was heißt das, es war genau anders herum?«
    »Sie waren Juden.«
    »Wer?«
    »Die Leute, mit denen er einen Streit vom Zaun gebrochen hat.«
    »Immanuel hat Streit mit Juden angefangen?«
    »Mit Zionisten. Diese komplett Meschuggenen mit schwarzen Hüten und Schläfenlocken. Wie diese Siedler.«
    »Siedler? In Oxford?«
    »Siedlertypen.«
    »Und mit denen hat er sich gestritten? Was hat er gesagt?«
    »Nicht viel. Er hat ihnen vorgeworfen, ein Land gestohlen zu haben, das ihnen nicht gehört …«
    Sie hielt inne.
    »Und?«
    »Und für Apartheid verantwortlich zu sein …«
    »Und?«
    »Frauen und Kinder abzuschlachten.«
    »Und?«
    »Mehr nicht. Das ist alles.«
    »Das ist alles? Das hat er alles gesagt? Stimmt das, Immanuel? Hast du das gesagt?«
    Immanuel sah auf. Der herausfordernde Blick erinnerte Finkler an seine verstorbene Frau. Der Junge trug die gleiche Miene ironischer Illusionslosigkeit zur Schau, wie man sie nur aufsetzte, wenn man einen Menschen zu gut kannte. »Ja, stimmt. Ist doch wahr, oder nicht? So oder so ähnlich hast du es auch schon gesagt.«
    »Aber nicht so direkt, nicht den Leuten ins Gesicht, Immanuel. Es ist eine Sache, allgemeine politische Wahrheiten wiederzugeben, aber eine ganz andere, sich mit irgendwem auf der Straße anzulegen.«

    »Tja, ich bin kein Philosoph, Dad. Ich gebe keine allgemeinen politischen Wahrheiten wieder. Ich habe denen bloß gesagt, was ich von ihnen und ihrem beschissenen kleinen Land halte. Und den einen Typ, der sich mit mir anlegen wollte, habe ich einen Rassisten genannt.«
    »Einen Rassisten? Was hat er denn zu dir gesagt?«
    »Nichts. Um ihn ging es gar nicht. Ich habe sein Land gemeint.«
    »War er Israeli?«
    »Woher soll ich das wissen? Er trug einen schwarzen Hut. Er war da, weil er gegen das Thema des Abends protestieren wollte.«
    »Und das macht ihn zum Rassisten?«
    »Wie würdest das denn nennen?«
    »Mir würden schon noch ein paar andere Worte einfallen.«
    »Andere Worte würden mir auch einfallen, aber wir haben schließlich nicht Scrabble gespielt.«
    »Und was ist dann passiert?«
    »Dann habe ich ihm den Hut vom Kopf geschlagen.«
    »Du hast einem Juden den Hut vom Kopf geschlagen?«
    »Und? Ist das so schlimm?«
    »Herrgott noch mal, natürlich ist das schlimm. So etwas tut man nicht, erst recht nicht bei einem Juden.«
    »Erst recht nicht bei einem Juden? Wie? Sind wir neuerdings eine geschützte Spezies? Diese Leute walzen palästinensische Dörfer platt. Was ist dagegen ein Hut?«
    »Hast du ihn verletzt?«
    »Nicht genug.«
    »Das war ein rassistischer Angriff, Immanuel.«
    »Wie kann das ein rassistischer Angriff gewesen sein, Dad, wenn sie die Rassisten sind?«
    »Darauf antworte ich gar nicht erst.«
    »Sehe ich vielleicht wie ein Rassist aus? Schau mich an.«
    »Du siehst mir wie ein verfluchter kleiner Antisemit aus.«

    »Wie könnte ich denn Antisemit sein? Ich bin Jude.«
    Finkler sah Blaise an. »Seit wann geht dieser Mist schon?«
    »Du meinst, seit wann er ein verfluchter kleiner Antisemit ist? Das kommt und geht, hängt davon ab, was er gerade liest.«
    »Willst du damit behaupten, es sei meine Schuld? Aber von mir hat er diesen rassistischen Apartheidscheiß nicht, auf keinen Fall. Damit habe ich nichts zu tun.«
    Gelassen erwiderte Blaise seinen Blick. Auch in ihren Augen erkannte er sein rächendes Weib.
    »Nein, das will ich nicht behaupten. Ehrlich

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