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Die Finkler-Frage - Jacobson, H: Finkler-Frage

Die Finkler-Frage - Jacobson, H: Finkler-Frage

Titel: Die Finkler-Frage - Jacobson, H: Finkler-Frage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howard Jacobson
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die auf Treslove einstürmten, war auch dieser eine: Hieß das, er hatte schon immer mehr Spaß gehabt als ein Finkler – gar als Sam Finkler? In der Schule hatte Finkler immer mit seiner Beschneidung geprahlt. »Mit solch einem Prachtstück hältst du ewig durch.« Und Treslove hatte dagegengehalten, was er gelesen und durchaus einleuchtend gefunden hatte, dass Finkler nämlich sein sensibelstes Stück abhandengekommen war. Ein Urteil, das Maimonides ohne Wenn und Aber bestätigte. Finkler hatte nicht nur sein sensibelstes Etwas verloren, man hatte es ihm darüber hinaus auch eben deshalb genommen, damit er nicht fühlte, was Treslove empfand.
    Als ihm Tyler einfiel, spürte er großen Kummer aufkommen. Er hatte mehr Gefallen an ihr gehabt als Finkler. Keine Frage. Er hatte, was es brauchte, um mehr Gefallen an ihr empfinden zu können.
    Aber folgte daraus auch, dass es ihr mit ihm besser gefallen hatte als mit Finkler? Damals war er davon nicht überzeugt gewesen. »Dein Ding will doch keine Frau anfassen«, hatte Finkler ihn in der Schule gewarnt, und Tylers unübersehbare
Abneigung, ihn anzusehen, schien dies zu bestätigen. War es aber Abneigung oder eine Art heilige Scheu gewesen? Hatte sie gefürchtet, sich anzusehen, was ihr so viel Vergnügen bereitete? War er für sie einer Gottheit gleichgekommen?
    Denn was ihm größeres Vergnügen bereitete, musste auch ihr besser gefallen haben. Ein durch Beschneidung eher abgeneigter Mann vermittelte diese Abneigung logischerweise auch seiner Partnerin. Die »geschwächte Intensität geschlechtlicher Erregung« musste für beide geschwächt sein. Was dem einen die »unmäßige Lust minderte«, minderte sie auch für den anderen, sonst ergäbe es doch keinen Sinn. Warum den Mann verstümmeln, um den Geschlechtsverkehr zu mäßigen, wenn die Frau ihn weiterhin so nachdrück lich wie eh und je verlangte?
    Genau das schrieb Maimonides ja auch. »Einer Frau, die mit einem Unbeschnittenen Verkehr hatte, fällt es schwer, darauf zu verzichten.« Frauen war es nie schwergefallen, auf Treslove zu verzichten, aber das konnte andere Gründe gehabt haben. Und anfangs hatte er sich doch immer ganz passabel gehalten – »Wenn du denkst, ich lass mich von dir bei unserer ersten Verabredung vögeln, dann denk lieber noch mal«, hatten sie gesagt und sich dann doch bei ihrer ersten Verabredung von ihm vögeln lassen –, was darauf hindeutete, dass das Problem nicht sein Praeputium, sondern etwas war, was sie später an seiner Persönlichkeit gestört hatte.
    Er spürte in sich eine erregende Macht, von der er bislang nichts gewusst hatte. Er war der Unbeschnittene. Er war ein Mann, auf den die Frauen nur schwer verzichten konnten.
    Physisch schwer verzichten konnten, hatte Maimonides gemeint, etwa in dem Sinne, dass den Unbeschnittenen in der Frau ein Knoten schwoll wie ein Hund? Oder emotional in dem Sinne, dass die Frau ganz berauscht von des Unbeschnittenen unermüdlicher Wollüstigkeit war?
    Beides, entschied er.

    Er war der Unbeschnittene, und er hatte gesprochen. Beides.
    Im Nachhinein verliebte er sich gleich noch einmal in Tyler, da er nun wusste, dass sie ihn stärker geliebt haben musste, als sie zugeben konnte. Und gefürchtet hatte, sich anzusehen, was sie so lüstern machte.
    Arme Tyler. Ganz verrückt nach ihm. Oder doch zumindest nach seinem Schwanz.
    Und armer er selbst, weil diese superbe Erkenntnis ihm damals noch nicht beschieden war.
    Hätte er doch nur gewusst.
    Und hätte er gewusst, was dann? Er war sich nicht sicher. Trotzdem, hätte er doch nur gewusst.
    Bedauern allein aber war nicht alles. Ihn faszinierte auch die Entdeckung der eigenen erotischen Macht. Hephzibah zumindest hatte Glück.
    Es sei denn, seine unermüdliche Wollust ermüdete sie und missfiel ihr, und sie zöge es gleichsam aus ethno-religiösem Prinzip vor, er würde sich beschnippeln lassen.
    3
    Er rief Finkler an.
    »Hast du jemals Moses Maimonides gelesen?«, fragte er.
    »Deshalb rufst du mich an?«
    »Deshalb und weil ich wissen möchte, wie es dir geht.«
    »Hab mich schon besser gefühlt, danke.«
    »Und Moses Maimonides?«
    »Dem ging es wahrscheinlich auch schon mal besser. Ob ich ihn gelesen habe? Natürlich. Er gehört zu denen, die mich sehr inspiriert haben.«
    »Ich hätte nicht gedacht, dass du jüdisches Gedankengut inspirierend findest.«

    »Dann hast du falsch gedacht. Er lehrt, wie sich abstruse Gedanken für den klugen Laien begreif bar machen lassen. Außerdem sagt er

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