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Die Finkler-Frage - Jacobson, H: Finkler-Frage

Die Finkler-Frage - Jacobson, H: Finkler-Frage

Titel: Die Finkler-Frage - Jacobson, H: Finkler-Frage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howard Jacobson
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gekommen«, sagte er.
    »Steht dir«, erklärte Treslove. »Erinnert ans alte Böhmen. Du solltest dir nur einen mit versteckter Klinge besorgen.«
    »Um mich gegen antisemitische Angriffe zu schützen?«
    »Dich doch nicht. Ich bin schließlich derjenige, der angegriffen wird.«
    »Dann besorg dir selbst einen Stockdegen.«
    »Wo wir gerade davon reden«, erwiderte Treslove, »wie findest du eigentlich die Beschneidung?«
    »Unangenehm«, antwortete Libor.
    »War sie für dich ein Problem?«

    »Sie wäre für mich ein Problem gewesen, hätte Malkie eines darin gesehen, aber meine Frau hat sich nie beschwert. Hätte sie sollen?«
    »Und du hast trotzdem Spaß am Sex gehabt?«
    »Ich fürchte, das, was du mit dir herumträgst, hätte mich dran gehindert, Spaß am Sex zu haben. Versteh mich nicht falsch – an dir sieht’s bestimmt prima aus, aber an mir hätte es sicher nicht so gut ausgesehen. Ästhetisch kann ich mich jedenfalls nicht beklagen. Ich sehe aus, wie ich aussehen soll. Zumindest habe ich das mal. Wir reden hier doch über Ästhetik, oder?«
    »Nein, eigentlich nicht. Ich habe gelesen, dass die sexuelle Erregung durch Beschneidung geschmälert wird, und hole jetzt dazu Meinungen ein.«
    »Tja, deine wird sie ganz bestimmt schmälern, falls du in deinem Alter beschließen solltest, es bei dir machen zu lassen. Was mich angeht, so habe ich es nie anders gekannt. Und ich hatte auch nie Anlass, mich zu beklagen. Ehrlich gesagt, ich könnte mir gar nicht mehr sexuelle Erregung wünschen, als ich gehabt habe, und ich hatte reichlich, besten Dank. Um ganz offen zu sein: Ich hatte mehr als genug. Beantwortet das deine Frage?«
    »Ja, ich glaube schon.«
    »Du glaubst nur?« Ihm fiel auf, wie nachdenklich ihn Treslove ansah. »Ich weiß, was du denkst«, sagte er.
    »Was denn?«
    »Du denkst, ich protestiere zu laut. Wäre ich nicht beschnitten gewesen, denkst du, wäre es mir womöglich nicht so leichtgefallen, Marlene Dietrich zu widerstehen. Du bist zu höflich, um es in Worte zu fassen, aber du fragst dich, ob es nicht Gottes Bund mit Abraham war, der mich von der Hunnin fernhielt.«
    »Na ja, du hast immer behauptet, du wärst ein überaus treuer Ehemann gewesen, obwohl du Versuchungen ausgesetzt warst,
die sich die meisten Männer nicht einmal ansatzweise auch nur vorstellen können …«
    »Und du fragst dich, ob es mein desensibilisierter Penis war, der mich treu sein ließ?«
    »So krass hätte ich mich nie ausgedrückt, Libor.«
    »Nur dass du es gerade getan hast.«
    » Entschuldige.«
    Libor lehnte sich in seinem Sessel zurück und rieb sich über den Schädel. Ein melancholisches Lächeln wie von weit her ließ sein Gesicht aufleuchten. Ein altes Lächeln.
    »Der Fehler liegt bei mir«, sagte er. »Vielleicht war ich zu sehr darauf bedacht, ein bestimmtes Bild von mir zu zeigen, und vielleicht warst du zu sehr darauf bedacht, es mir abzunehmen. Jedoch bitte ich um diesen einen Gefallen: Wenn ich nicht mehr bin, und du sprichst über mich, sprich von mir als liebendem Ehemann, aber mach mich nicht allzu keusch. Erlaube mir wenigstens einen kleinen Fick außer der Reihe.«
     
    »Was diesen kleinen Fick außer der Reihe angeht«, sagte er, ehe er ging. Er wollte Treslove zu verstehen geben, dass er über das Gesagte nachgedacht und sich Sorgen gemacht hatte.
    »Ja?«
    »Ich bitte dich auch um Malkies willen darum.«
    Treslove wurde rot. »Willst du damit sagen, dass Malkie …?«
    »Nein, obwohl ich’s nicht weiß und auch nicht wissen wollte. Ich möchte dich nur bitten, auch ihren Ruf zu beschützen. Eine Frau sollte nicht ihr Leben lang mit einem absolut treuen Mann verheiratet sein.«
    »Warum nicht?«
    »Das geht gegen ihre Ehre.«
    Treslove wurde wieder rot, diesmal um seinetwillen. »Das verstehe ich nicht, Libor.«

    Libor gab ihm einen Kuss auf die Wange, sagte aber nichts mehr.
    Doch Treslove verstand sein Schweigen: »Das verstehst du nicht, weil du keiner von uns bist.«
    4
    Gewöhnlich duschte Hephzibah, sobald sie vom Museum nach Hause kam. Ihr Arbeitsplatz glich noch einer Baustelle, und sie konnte sich erst entspannen, wenn sie Staub und Schmutz von sich abgespült hatte. Sie rief Treslove einen Gruß zu, um ihn wissen zu lassen, dass sie daheim war, und er goss ihnen beiden daraufhin entweder ein Glas Wein ein – es gefiel ihr, dass er auch für sie einschenkte, obwohl sie nur selten einen Tropfen anrührte –, oder er ging, wenn ihm an diesem Abend eher nach Priapus als nach

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