Die Finkler-Frage - Jacobson, H: Finkler-Frage
Bacchus war, zu ihr unter die Dusche.
Das war nicht immer, was sie wollte. Für Hephzibah war die Dusche ein privater Ort, nicht zuletzt deshalb, weil sie fast den gesamten darin verfügbaren Platz einnahm. Trotzdem achtete sie darauf, Tresloves Inbrunst nicht brüsk abzuweisen, und manchmal war sie auch für die Massage dankbar, die er ihr gab, wenn sie deutlich gemacht hatte, dass sie nichts anderes wollte.
»Ach, das tut gut«, sagte sie dann, und er fand es angenehm, wie sich ihr Rücken unter seinen Fingern im heißen Sprühnebel entspannte.
Irgendwas an der Art, wie sie das Wort »gut« aussprach, wenn er etwas für sie tat – ob »ach, das tut gut« oder »ach, das ist so gut« oder »das machst du gut« oder »wie gut von dir« –, gab Treslove das Gefühl, seinen Platz als Mann gefunden zu haben.
Als Mann?
Nun ja, er wusste, es fehlte nie viel, dass sie sagte: »Was für ein guter Junge«, so wie nie viel fehlte, dass er es zu hören meinte. Eine bei Hunden und Kindern beliebte rhetorische Bemerkung. Da machte er sich nichts vor. Sie gab den Ton an, und er war es zufrieden. Trotzdem suchte er in ihr nicht nur die Mutter oder die Hundehalterin. Er suchte auch – ohne den Bogen zu sehr überspannen zu wollen – die kreative jüdische Kraft: die Göttin, die Schöpferin selbst, wenn man so will. »Und das Trockene nannte Gott Land und das angesammelte Wasser nannte er Meer. Und Gott sah, dass es gut war.«
In diesem Sinne verstand Treslove gut, wenn Hephzibah seine Anstrengungen lobte. Gut hieß dann mehr als gut – gut hieß übereinstimmend, perfekt, harmonisch.
Gut als Ausdruck der absoluten Rechtschaffenheit des Universums.
Er war ein Mann vieler Missgeschicke gewesen, doch jetzt war er ein Mann des Kongenialen. Alles passte zusammen. Er war ein guter Mann in einer guten Welt. Mit einer guten Frau.
Was gut an ihr war, änderte sich, je länger er mit ihr zusammen war. Anfangs hatte er das für eine Finkler-Sache gehalten. Eine Frage der Fruchtbarkeit, wenn auch nicht im Sinne der Fortpflanzung. Eher fruchtbar in Bezug auf Zuneigung und Treue, Freunde und Familie, Vergangenheit und Zukunft. Allein fühlte sich Treslove sinnlos durch das Universum kreiseln wie ein Bruchstück eines vergessenen Planeten. Hephzibah war sein Firmament. Sein Fink ler-Firmament. In ihr hatte er seinen Platz. In ihrem Orbit fühlte er sich dicht besiedelt.
Er hatte keine Ahnung, ob es letztlich nicht doch eine Finkler-Sache war. Also ohne Finkler. Für ihn war sie menschlich wichtig, was immer das bedeutete. Und deswegen himmelte er sie an. Die Sonne schien nicht aus ihr; sie war die Sonne.
Da sag einer, er sei kein Jude.
Und dann kam sie eines Abends nach Hause, setzte sich an den Küchentisch und verlangte nicht nur einen Drink, sie trank ihn auch und brach schließlich in Tränen aus.
Er wollte sie in die Arme nehmen, aber sie scheuchte ihn weg.
»Mein Gott«, sagte er. »Was ist passiert?«
Sie schlug die Hände vors Gesicht. Es schüttelte sie, doch konnte er nicht erkennen, ob vor Kummer oder Lachen.
»Was ist los, Hep?«
Als sie ihm ihr Gesicht zuwandte, konnte er immer noch nicht sagen, ob das, was geschehen war, zu schreck lich oder zu lachhaft war, um es in Worte gefasst zu werden.
Sie riss sich zusammen, verlangte ein weiteres Glas Wein – das mit dem Wein beunruhigte ihn: Zwei Glas Wein entsprachen ungefähr Hephzibahs Jahresration – und erzählte es ihm.
»Du kennst doch die Eichentür, die gerade eingesetzt worden ist. Nun, vielleicht auch nicht. Jedenfalls geht es um die Tür zum Seiteneingang, da, wo später mal deine Teestube sein wird. Ich habe dir Fotos von den Messinggriffen gezeigt, weißt du noch? Wir haben sie eigens anfertigen lassen, damit sie wie Schofars aussehen, wie Widderhörner. Also gut, aber krieg jetzt keinen Schreck – sie sind verschandelt worden. Das muss passiert sein, als ich heute am späten Nachmittag mit dem Architekten im Haus unterwegs war, denn als ich zum Mittagessen ging, schien noch alles in Ordnung zu sein. Erst als ich heute Abend das Gebäude verließ, war es da, waren sie dann da. Ich meine, Scheiße, Julian, wer macht denn so was? Und warum?«
Hakenkreuze, dachte Treslove. Er hatte gelesen, dass wieder überall Hakenkreuze auftauchten, und Finkler davon erzählt. Finkler hatte gesagt, ruf mich an, wenn sie aufs Neue Juden auf den Straßen umbringen. Scheiß Hakenkreuze!
»Und?«, fragte er. »Wurden sie aufgepinselt?«
Er fürchtete sich davor,
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