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Die Finkler-Frage - Jacobson, H: Finkler-Frage

Die Finkler-Frage - Jacobson, H: Finkler-Frage

Titel: Die Finkler-Frage - Jacobson, H: Finkler-Frage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howard Jacobson
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überhaupt kommt. Mit Erregung hat diese Prozedur nichts zu tun. Was immer es an Sexgedanken in Alvin Poliakovs Kopf gegeben haben mochte, ist längst dem Dienst an Bändern und Gewichten, Kragen und Klebstoffen gewichen. Weil er sich um seine Lust gebracht sah, hatte Alvin Poliakov diesen Weg eingeschlagen, doch um Lust geht es längst nicht mehr. Juden sind das Thema.
    Als Dreingabe zu den Fotos und Diagrammen veröffentlicht Alvin Poliakov eine Tagesration seiner Tiraden gegen die jüdische Religion, in deren Antidienst er sozusagen seine Energie investiert. Das Verbrechen sexueller Verstümmelung, so seine Behauptung, ist nur eines von zahllosen Vergehen gegen die Menschlichkeit, die den Juden zur Last gelegt werden müssen. Tag für Tag veröffentlicht er den Namen eines weiteren, gerade zur Welt gekommenen jüdischen Kindes, dessen körperliche Integrität verletzt und dessen Recht auf das vollständige Ausmaß künftiger sexueller Aktivitäten auf tragische Weise geschmälert wurde.
    Treslove kann sich nicht vorstellen, woher er diese Namen hat. Stammen sie aus den Geburts- und Todesanzeigen jüdischer Zeitungen? Unmöglich der Gedanke, die schuldigen Eltern könnten sie freiwillig herausrücken. Doch bedeutet das nicht, dass Alvin Poliakov sich selbst vorwerfen lassen muss, Kindern etwas zu stehlen, das sie, da sie noch zu jung sind, nicht freiwillig geben können?
    Oder erfindet er die Namen bloß?

    Schwer atmend wie ein Athlet und ohne sich stören zu lassen, bemüht sich Alvin Poliakov – der Tresloves Einwände nicht hören kann und nicht beachten würde, wenn er könnte –, seine Penishaut unermüdlich zu einer Vorhaut zu weiten. Jeden Abend glaubt er, sie schon sehen zu können, aber jeden Morgen ist es, als müsste er wieder von vorn beginnen. Bis auf die Abende, an denen die Treffen der ASCHandjiddn stattfinden, geht er nicht aus dem Haus. Eine ältere Schwester besorgt die Einkäufe. Sie ist kürzlich zum Katholizismus übergetreten, und es bleibt unklar, ob sie weiß, wie ihr Bruder seine Tage verbringt, doch ist Alvin Poliakov nicht der Mann, der seine Anliegen für sich behält. Bestimmt wundert sie sich, was er da, am Penis zuppelnd, auf seinem Stuhl treibt. Durchaus möglich, dass sie das falsch versteht.
    Er hört Radio und vermerkt, wie selten das Leiden verkrüppelter Juden oder zu Ersatz-Juden verstümmelter Nicht-Juden erwähnt wird. Dass die BBC pro-jüdisch eingestellt ist, steht für ihn außer Frage. Warum sonst hört man so wenig von den Leuten, deren Leben von Zionismus und Beschneidung ruiniert wurde?
    Er schrieb selbst eine Nachmittagssendung über so ein Leben, und die BBC dankte ihm dafür, strahlte sie aber nicht aus. Zensur.
    Dieses barbarische Ritual, so Alvin Poliakov, ist mit dem Haarschnitt bei jungen Männern vergleichbar, die zur Armee eingezogen werden, und es hat auch eine ähnliche Funktion. So soll Individualität zerstört und jeder Mann der Tyrannei der Gruppe unterworfen werden, sei sie nun religiöser oder militärischer Art. Alvin Poliakov ist folglich der Ansicht, dass es eine unleugbare Verbindung zwischen dem jüdischen Ritual der Beschneidung und dem zionistischen Gemetzel gibt. Hilflose jüdische Babys und unbewaffnete Palästinenser werden eins durch das unschuldige Blut, das die Juden ihnen skrupellos abverlangen.

    Während Alvin Poliakov mit dem Kopf zwischen den Knien dahockt, denkt er sich Widmungen für die Opfer zionistischer Brutalität aus. Sooft ihm eine neue Widmung einfällt, veröffentlicht er sie über dem neusten Foto seines malträtierten Penis, um die Verbindung zwischen beidem deutlich zu machen. An dem Tag, an dem Treslove beschließt, den Blog nicht länger zu verfolgen, lautet die Widmung über Alvin Poliakovs Penis, von dem Gewichte unterschiedlicher Größe und unterschiedlichen Materials herabhängen: »Für die Verstümmelten von Shatila, Nabatea, Sabra und Gaza. Euer Kampf ist mein Kampf.«
     
    »Mal so gesagt«, versuchte Treslove Hephzibah den Blog zu beschreiben, nachdem sie sein Angebot abgelehnt hatte, ihr den entsprechenden Link zu schicken, »wenn du eine Palästinenserin wärst …«
    »Na klar. Mit Freunden wie ihm …«
    »Aber nicht nur das. Es ist dieses Übergriffige …«
    »Ganz genau.«
    »Und in so einer trivialen Sache.«
    »Für ihn ist sie offensichtlich nicht trivial.«
    »Nein, aber alle anderen Fragen einmal außen vor gelassen: Sind Muslime nicht sowieso beschnitten?«
    »Meines Wissens ja«, antwortete

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