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Die Finkler-Frage - Jacobson, H: Finkler-Frage

Die Finkler-Frage - Jacobson, H: Finkler-Frage

Titel: Die Finkler-Frage - Jacobson, H: Finkler-Frage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howard Jacobson
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nicht, wo dein eigener Schlauch ist? Ha!« Sie lachte über ihren Scherz. Er nicht.
    »Man sagt nicht ab, wenn man zu Desert Island Discs eingeladen wird«, fuhr er fort, fand den Schlauch und fragte sich, was er damit anfangen sollte.
    »Du bist eingeladen worden. Warum solltest du da nicht absagen können? Ich hätte gedacht, für deine Karriere könnte es kaum was Besseres geben. Würde beweisen, dass du nicht zu habgierig bist. Gib schon her.«
    »Zu habgierig?«
    »Zu übereifrig. Zu erpicht.«
    »Du hast habgierig gesagt.«
    »Und?«
    »Ich soll kein habgieriger Jude sein, hast du das gemeint?«
    »Ach, um Gottes willen, daran habe ich nicht mal gedacht, und das weißt du sehr gut. Der habgierige Jude ist deine eigene Projektion. Du hast Angst, dass man dich dafür halten könnte, aber das ist dein Problem, nicht meins. Ich finde, du bist einfach habgierig, Punkt. Außerdem bin ich in unserer Beziehung fürs Jüdische zuständig, schon vergessen?«
    »So ein Unsinn.«

    »Dann sag mir die Amida auf oder nenne mir eine der achtzehn Bitten …«
    Finkler wandte den Blick ab.
    Es hatte einmal eine Zeit gegeben, da hätte sie vielleicht daran gedacht, den Schlauch auf ihn zu richten, da sie wusste, er würde sie dann auch nass spritzen, sie würden in ihrem Garten um den Schlauch kämpfen und den Streit im Gelächter enden lassen, sich vielleicht sogar auf dem Rasen lieben, scheiß auf die Nachbarn. Doch die war vorbei, diese Zeit …
    … falls es sie denn je gegeben hatte. Tyler versuchte, ihn sich vorzustellen, wie er hinter ihr herlief, sie einfing, seinen Mund auf ihre Lippen presste, und merkte mit Erschrecken, dass es ihr nicht gelang.
     
    Er fragte seine Freunde. Nicht nach ihrer Meinung, ob er an der Sendung teilnehmen sollte oder nicht. Er wusste, er musste es tun. Nein, nach Musik, zu der er auf einer einsamen Insel abhängen konnte. Libor schlug Schuberts Impromptus vor. Und ein paar Violinkonzerte. Treslove schrieb ihm die Titel der größten Todesarien der italienischen Oper auf. »Wie viele brauchst du?«, fragte er. »Sechs?«
    »Eine reicht. Sie wollen Abwechslung.«
    »Ich habe dir sechs aufgeschrieben, da bist du auf der sicheren Seite. Sie sind alle verschieden. Mal stirbt die Frau, mal der Mann. Und ich habe noch eine dazugesetzt, bei der beide gemeinsam sterben. Wäre ein großartiger Abschluss der Sendung.«
    Und meiner Karriere, dachte Finkler.
    Erst nachdem Finkler auch noch Alfredo gefragt hatte, verließ er sich ganz auf seinen populistischen Instinkt und entschied sich für Bob Dylan, Queen, Pink Floyd, Felix Mendelssohn (hielt sich aber an Libors Vorschlag und nannte das Violinkonzert, nicht den Hochzeitsmarsch ), Girls Aloud, natürlich ein Stück von Elgar, Bertrand Russell mit einem Auszug aus seinen Memoiren
und Bruce Springsteen, den er während der Sendung nur den »Boss« nannte. Was das Buch anging, wählte er Platons Dialoge, fragte aber, ob man dieses eine Mal die Regel nicht lockern und ihm erlauben wolle, stattdessen den kompletten Harry Potter mitzunehmen.
    »Als Erholung von der schweren Lektüre?«, fragte der Moderator.
    »Nein, das wäre ja Platon«, antwortete Finkler, ein Scherz, natürlich, aber auch für jene gemeint, die ihm unterstellen wollten, dass er es ernst meinte.
    Um seiner Frau zu beweisen, dass sie in ihrer Ehe nicht allein fürs Jüdische zuständig war, machte er viel Aufhebens darum, dass er als Kind jeden Morgen mit seinem Vater in die Synagoge gegangen war und ihm zugehört hatte, wie er für seine Eltern betete, großartige, eindringliche Klageweisen, die ihn tief bewegt und, ja, auch geprägt hatten. Jisgadal wejiskadasch … die alte Sprache der Hebräer, die für die Toten erklang. Erhoben und geheiligt werde sein großer Name . Ein Gebet, das er seinerseits gesprochen hatte, als er zum Waisen wurde. Der rationalistische Philosoph, der sich angesichts einer Wahrheit an Gott wandte, die sich mit Vernunft allein wohl niemals durchdringen ließe. Eine Stecknadel, dachte er, hätte man im Studio zu Boden fallen hören können. Sein Judentum sei ihm schon immer enorm wichtig gewesen, gestand er, täglicher Anlass zu Trost und Inspiration, doch könne er die Vertreibung der Palästinenser nicht stillschweigend übergehen. »Was Palästina angeht«, fuhr er mit einem Beben in der Stimme fort, »ist es a Schand , wie man auf Jiddisch sagt.«
    »Was für ein aufgeblasener Schmonzes«, bemerkte Tyler, als sie die Sendung hörte. »Wie konntest du

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