Die Finkler-Frage - Jacobson, H: Finkler-Frage
es dir hier gefällt. Kannst dir Cricket ansehen.«
»Kann ich?« Finkler liebte Cricket. Er fand, seine Liebe zu Cricket machte ihn zu einem echten Engländer.
»Ich meinte, man kann. Man kann sich von hier aus Cricket ansehen.«
Er hatte nicht vor, Finkler hierher einzuladen, damit er sich ein Cricketspiel ansehen konnte. Finkler genoss schon genügend Vorteile. Sollte er sich doch eine Eintrittskarte kaufen. Und falls nicht, konnte er immer noch auf seiner eigenen Terrasse sitzen und sich die Heide anschauen. Auf der Heide gab es jede Menge zu sehen, wenn sich Treslove recht erinnerte. Allerdings wurden seine Erinnerungen an Hampstead immer undeutlicher. Er wohnte jetzt seit drei Monaten in St. John’s Wood und konnte sich kaum noch daran erinnern, je irgendwo anders gelebt zu haben. Oder mit jemand anderem.
Hephzibah überdeckte seine Vergangenheit.
Treslove führte Finkler in die Küche, um ihm Hephzibah vorzustellen, die am Herd stand und kochte. Auf diesen Moment hatte er lang gewartet.
»Kennt Jud Juno, Sam?«, fragte er. » D’Jew know Jewno ?«
Kein aufflackerndes Verstehen bei Finkler, kein Hauch des Wiedererkennens.
Treslove dachte daran, es ihm vorzubuchstabieren, um seiner Erinnerung auf die Sprünge zu helfen, doch hielt er es für unwahrscheinlich, dass Finkler je vergaß, was er selbst gesagt hatte. Finkler ging nirgendwo ohne sein Notizbuch hin, in das er alles aufschrieb, was er interessant fand, vor allem aber seine eigenen Bemerkungen. »Spare in der Zeit, dann hast du in der Not«, hatte er Treslove einmal gesagt, als er das Notizbuch aufschlug. Was Treslove so verstand, dass Finkler sich routinemäßig selbst recycelte, da er wusste, eine beiläufig gemurmelte Bemerkung konnte ein ganzes Buch ergeben. Und aus diesem Grund hätte Treslove auch darauf gewettet, dass Finkler sich durchaus an seinen D’Jew know Jewno- Scherz erinnerte, ihn Treslove aber nicht gönnte.
Inzwischen schüttelten sich die beiden sowieso schon die Hände, nachdem sich Hephzibah ihre zuvor an der Schürze abgewischt hatte.
»Sam.«
»Hephzibah.«
»An dir habe ich mein Wohlgefallen.«
Hephzibah neigte anmutig den Kopf.
Tresloves Gesicht war ein einziges Fragezeichen.
»Das heißt Hephzibah auf Hebräisch«, erklärte ihm Finkler. »An dir habe ich mein Wohlgefallen.«
»Weiß ich doch«, erwiderte Treslove verstimmt.
Der Mistkerl hatte es ihm schon wieder gezeigt. Man wusste nie, aus welcher Richtung was kam. Rechnete man mit einem Finkler-Witz, brachten sie einen mit finklerischer Gelehrsamkeit aus dem Konzept. Die ließen sich einfach nicht die Show stehlen. Immer hatten sie was, was man selbst nicht hatte, irgendeine verbale oder theologische Reserve, die sie anzapfen konnten, sodass man selbst sprachlos dastand. Diese mamser .
»Ich muss weitermachen«, sagte Hephzibah, »sonst gibt es heute Abend nichts zu essen.«
»An deiner Kochkunst habe ich mein Wohlgefallen«, sagte Treslove, doch schien das keinen zu interessieren.
Seiner Meinung nach konnte man es eigentlich nicht Kochen nennen, so wie sie über ihre Zutaten herfiel, um sie zu Geschmackvollem zu verquirlen und aufzumischen. Was sie auch zubereitete, stets hatte sie mindestens fünf Töpfe gleichzeitig auf dem Herd, jeder groß genug, um eine Katze darin zu braten. Dampf stieg von vieren auf, im fünften siedete Öl. Sämtliche Fenster waren geöffnet. Eine Dampfabzugshaube saugte geräuschvoll an allem, dessen sie habhaft werden konnte. Treslove hatte vorgeschlagen, die Fenster zu schließen, wenn die Haube eingeschaltet war, oder den Abzug abzustellen, wenn Hephzibah die Fenster öffnete. Sie höben sich in ihrer Wirkung gegenseitig auf, erklärte er pedantisch, der Ventilator der Abzugshaube sauge bloß die Abgase von halb St. John’s Wood an. Doch Hephzibah schlug seinen Rat in den Wind, riss die Schranktüren
auf und knallte sie zu, benutzte jeden Löffel und jeden Topf in ihrem Besitz und atmete Feuer und Rauch. Schweiß troff ihr von der Stirn und hinterließ Flecken auf den Kleidern. Alle naselang hielt sie inne, um sich die Augen zu wischen. Dann machte sie weiter, als wäre sie Vulkan, der die Feuer des Ätna schürt. Und am Ende gab es dann für Treslove ein Omelett mit Schnittlauch zum Mittagessen.
Auch wenn er sich über die mangelnde Logik ihrer Methode beklagte, sah Treslove gern zu. Eine jüdische Frau in ihrer jüdischen Küche! Seine eigene Mutter konnte ein fünfgängiges Menü in einer Eierpfanne zubereiten. Zu
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