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Die Finkler-Frage - Jacobson, H: Finkler-Frage

Die Finkler-Frage - Jacobson, H: Finkler-Frage

Titel: Die Finkler-Frage - Jacobson, H: Finkler-Frage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howard Jacobson
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dieser Situation zu sagen hatten. Machte sogar die dazu passenden Bewegungen. Wäre er lang genug geblieben, hätte er bestimmt noch die Hände gewrungen und sich die Haare gerauft.
    Seine Befangenheit überraschte und verblüffte ihn. War dieses Theater denn nötig? Warum ließ er nicht einfach sein Herz sprechen?
    Weil Herzen nicht sprechen können, deshalb. Weil Sprache Künstlichkeit bedingt. Weil es am Ende nichts, absolut nichts zu sagen gab.
    Ob sie das wusste? Jean Norman, wahrer Name: Maarit Tuulikki Jääskeläinen. Wusste sie aufgrund ihrer Berufserfahrung, dass der Trauernde vor ihr saß, in ihre Nüstern hochblickte und log?
    Er hätte heulen sollen wie ein Tier. Damit hätte er zumindest ehrlich zum Ausdruck gebracht, wie er sich fühlte. Gestimmt hätte das aber auch nicht. Es gab keinen ehrlichen Ausdruck dafür, wie er sich fühlte.
    Ehe er ging, hatte sie noch eine Frage. Als sie die Frage stellte, wirkte sie lebendiger als die ganze Zeit zuvor. Diese Frage war ganz offensichtlich der echte, womöglich sogar der einzige Grund, weshalb er hier war. Was sie ihn fragen wollte, hatte sie fragen wollen, seit er ins Zimmer gekommen war. Nein, schon in dem Augenblick, in dem sie erfuhr, dass er kommen würde.
    »Es ist wegen Marilyn«, sagte sie.
    »Marilyn Monroe? Was ist mit ihr?«
    »Sie haben sie gut gekannt?«
    »Ja.«
    Jean Norman blies die Wangen auf und klopfte sich auf die Brust. »Dann sagen Sie…«
    »Ja?«
    »Hat sie sich umgebracht oder wurde sie ermordet?«
    4
    Treslove und Hephzibah singen Liebesduette in der Badewanne.
     
    Finkler verliert Geld beim Pokern.
     
    Mit Libor geht es rapide bergab.
     
    Finkler verliert beim Pokern, doch verkaufen sich seine Bücher gut, und immerhin hat er sich nicht an Tamara Krausz herangemacht.
    Mit Libor geht es rapide bergab, weil er Malkie verloren hat. Emmy meldet sich mit Neuigkeiten über ihren Enkel. Er wird nie wieder sehen können. Außerdem erzählt sie, dass es einen weiteren Angriff auf zwei jüdische Jungen mit Schläfenlocken gegeben hat. Und in Nordlondon wurden Grabsteine auf einem jüdischen Friedhof geschändet. Mit Hakenkreuzen. Und? Was soll er ihrer Meinung nach tun? Eine Bürgerwehr gründen? Mahnwache halten vor jeder jüdischen Begräbnisstätte in London?
    Libor achtet sorgsam darauf, die Gefühle, die es in ihm auslöst, dass Juden wieder an öffentlichen Orten angegriffen werden, nicht mit seinen Gefühlen für Malkie zu vermischen.
    Treslove und Hephzibah singen O soave fanciulla , Parigi o cara , E il sol dell’anima, Là ci darem la mano und so weiter.
    Alle Arien, die er kennt, kennt sie auch. Ist das nicht unglaublich, fragt er sich.
    Sie singen entweder ein Hallo oder ein Lebwohl. So ist die Oper. Treslove singt alle Arien als ein Lebwohl, Hephzibah als ein Hallo. Sie ergänzen sich selbst dort, wo sie sich unterscheiden, und das zugunsten von Treslove.
    Hephzibah hat eine kräftige Stimme, die sich besser für Wagner eignete, aber Wagner wird nicht gesungen, nicht einmal Tristan
und Isolde . »Ich habe es mir zur Regel gemacht, dass ich nichts singe, in dessen Titel ein Und vorkommt«, erklärt sie ihm.
    Er beginnt, die finklerische Kultur zu verstehen. Es ist wie mit Libor und Marlene Dietrich, falls Libor die Wahrheit über Marlene erzählt hat. Es gibt eben Dinge, die tut man nicht. Nun gut, tut Treslove sie auch nicht. Man zeige ihm einen Deutschen und er prügelt dem mamser die Scheiße aus dem Leib.
    Mamser ist Jiddisch für Arsch. Treslove kann das Wort gar nicht oft genug sagen.
    Wendet es sogar auf sich selbst an. Mensch, bin ich ein glücklicher mamser, sagt er sich.
     
    Um zu feiern, was für ein glücklicher mamser er doch war, lud Treslove Finkler und Libor zum Abendessen ein. Kommt und stoßt mit mir auf mein neues Leben an. Er dachte daran, auch seine Söhne kommen zu lassen, änderte dann aber seine Meinung wieder. Er mochte sie nicht. Finkler mochte er zwar ebenso wenig, aber Finkler war ein alter Freund. Ihn hatte er sich ausgesucht. Seine Söhne nicht.
    Finkler pfiff durch die Zähne, als er aus dem Fahrstuhl direkt auf Hephzibahs Dachterrasse trat.
    »Du bist auf die Füße gefallen«, flüsterte er Treslove zu.
    Blöder mamser , dachte Treslove. »Echt?«, fragte er kurz angebunden. »Hab gar nicht gewusst, dass ich nicht mehr mit beiden Füßen auf der Erde stand.«
    Finkler knuffte ihm in die Rippen. »Ist ja gut, mach doch nur Spaß.«
    »Ach, so nennt man das? Na ja, freut mich jedenfalls, dass

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