Die Finsteren
hielt sich für einen harten Kerl, in Wirklichkeit ging er höchstens als großes, altes Schwein von einem Mann durch. Fast hoffte Suzie, es handele sich um einen Einbrecher. Ein unanständiges – aber unbestreitbar erregendes – Szenario kam ihr in den Sinn ...
Die Schlafzimmertür schwingt krachend auf. Ein muskulöser Mann in völlig schwarzer, eng anliegender Kleidung und mit Skimaske betritt den Raum. Kurt steht auf und greift den Eindringling an, doch der schlägt ihn mit einem einzigen, mächtigen Hieb bewusstlos. Der Unbekannte entdeckt Suzie, die sich unter der Decke windet. Er leckt sich über die Lippen, reißt die Decke weg und starrt auf ihren wohlgeformten Körper, der nur von einem zarten Seidennachthemd verhüllt wird. Er klettert aufs Bett, greift nach ihr, zerrt ihr das hauchdünne Negligé vom verschwitzten Leib und ...
Das Knarren ertönte erneut, lauter als zuvor, und diesmal wirbelte Suzies Kopf zum großen Fenster herum, das zum hinteren Teil des Gartens hinausging. Entlockte Kurt das Geräusch eine Regung? Tatsächlich hatte er sich zu ihr herumgedreht, sodass sie im gebrochenen Mondlicht seine schlaffen, beleibten Züge erkennen konnte. Ein dünner Speichelfaden troff von einem Mundwinkel und hinterließ einen Fleck auf dem Laken. Herrgott, er war so widerwärtig. Wie unfair. Sie selbst fand sich sexy. Männer warfen ihr andauernd begehrliche Blicke zu. Sie verdiente etwas Besseres als diesen gewaltigen Haufen Glibber, der sich als echter Kerl ausgab. Das Universum hatte sich in vielerlei Hinsicht gegen sie verschworen, aber am himmelschreiendsten fand sie, dass es sie an dieses Arschloch kettete.
Von draußen ertönte ein anderer Laut.
Ein dumpfes Stampfen, als ob etwas auf dem Boden aufschlug.
Suzie schob die Decke vom Körper und stieg aus dem Bett. Der Hartholzboden fühlte sich kühl unter ihren nackten Füßen an, als sie zum Fenster tappte, wo sie die Finger zwischen die Vorhänge schob und eine Hälfte weit genug aufzog, um einen flüchtigen Blick auf einen dunklen Schemen zu erhaschen. Die Gestalt erklomm mit schnellen Bewegungen den hohen Lattenzaun. Ihre Geschwindigkeit und die Dunkelheit machten es unmöglich, zu erkennen, um wen es sich handelte. Innerhalb weniger Sekunden war die Person verschwunden. Unmittelbar vor dem Fenster stand eine hohe Eiche mit dicken Ästen. Das Zimmer ihres Sohnes lag direkt über dem Schlafzimmer. Einer der dicksten Äste des Baums endete kurz vor dem oberen Fenster.
Schlich sich Derek etwa nachts aus dem Zimmer?
Suzie wusste nicht recht, ob sie Wut, Sorge oder eine Mischung aus beidem empfinden sollte. Etwas innerhalb dieses Spektrums ging wohl als normale elterliche Reaktion durch, vor allem, da durchaus die Möglichkeit bestand, dass es sich gar nicht um Derek handelte, den sie gesehen hatte. Eventuell handelte es sich doch um einen Eindringling, der eigens hergekommen war, um Derek etwas anzutun. Trotz seines lächerlichen Außenseitergehabes war ihr Sohn ein gut aussehender Junge, ein verlockendes Opfer für eine bestimmte Art von Sexualstraftätern. Sofort musste sie an Clay Campbell denken. Campbell war etwa 40 und lebte allein in einem Haus oben am steilen Laural Hill Drive. In der Nachbarschaft kursierten regelmäßig Gerüchte über ihn. Oft trieben sich Teenager aus der Gegend in der Nähe seines Hauses herum. Etwas stimmte mit dem Typen nicht. Beispielsweise schien er nicht zu arbeiten. Er musste in irgendeiner Weise pervers sein. Suzie glaubte fest daran.
In Gedanken malte sie sich aus, wie Clay Campbell den großen Baum erklomm und die kurze Entfernung über den dicken Ast zu Dereks Schlafzimmerfenster kroch. Nicht so einfach vorstellbar. Campbell war ziemlich mollig. Aber was spielte das für eine Rolle, wenn er entschlossen zu Werke ging? Suzie stellte sich vor, wie er das Fenster aufzog und sich hindurchschob, ohne dass ihr schlafender Sohn davon etwas mitbekam. Oder – und der Gedanke war ihr bisher noch nicht gekommen – was, wenn Derek auf ihn wartete? Suzie verspürte einen Anflug von Abscheu. War ihr Sohn homosexuell? Die Vorstellung verstörte sie mehr als ein etwaiger tätlicher Übergriff. Sie mochte keine Schwulen. Natürlich galt es nicht mehr als politisch korrekt, so zu denken. Den meisten Menschen gegenüber durfte man es nicht laut aussprechen. Aber so empfand sie nun mal. Sie konnte einfach keinen schwulen Sohn haben.
Suzie entfernte sich vom Fenster, durchquerte das Zimmer und betrat Kurts begehbaren
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