Die Finsteren
altem Camaro richtete. Mit großen, geschwungenen Buchstaben schrieb er das Wort TUNTE.
»Bell flippt aus, wenn er sieht, was du mit seinem Auto gemacht hast.«
Kent Hickerson blickte über die Schulter zu seinem Gefährten. »Genau das soll er ja.«
»Ich weiß nicht recht, Mann. Ich mag diese Arschlöcher auch nicht leiden, aber ich hab den Kerl schon in Aktion erlebt. Dem Burschen auf dem Parkplatz von McDonald’s hat er einen verpasst, so was hab ich noch nie gesehen. Der andere ging zu Boden wie ein nasser Sack. Ein Zahn ist ihm aus dem Mund rausgeflogen.« Brett Hogan schüttelte den Kopf. »Ich mein ja nur.«
»Also hast du Angst vor diesem ... Scheiße, ich weiß nicht mal, wofür er sich eigentlich hält. Er ist eine schräge Mischung aus Grufti, Metal-Fan und altmodischem Rocker. Und echt ist davon gar nichts. Letztlich ist er eine Attrappe. Ein erbärmlicher Angeber.«
»Ein Angeber mit Fäusten aus Stahl.«
Kent seufzte. »Ich sag dir, du traust diesem Kerl viel zu viel zu. Die High School ist bald vorbei und Typen wie er vergessen ihre dämliche Möchtegerneinstellung ganz schnell, wenn sie anfangen müssen, sich mit der echten Welt auseinanderzusetzen.«
»Wenn sie sich den Lebensunterhalt selbst verdienen müssen.«
»Genau. Auf dem modernen Arbeitsmarkt herrscht keine große Nachfrage nach Schlägertypen.«
»Na ja ... es gibt immer noch die UFC. Da könnte er als Kämpfer einsteigen.«
Kent kicherte. »Mag sein, aber realistisch betrachtet sind seine Möglichkeiten sehr begrenzt. Das dürfte er schon bald feststellen. In der Zwischenzeit gehört er mal ein wenig zurechtgestutzt.«
»Und dein großer Plan lautet, ›Tunte‹ auf sein Auto zu sprühen?«
Kent schüttelte die Dose und hinterließ die Skizze eines Penis. »Das ist nur die Eröffnungssalve in einem Krieg, mein Freund. Morgen rede ich mit Moose ...«
Brett stöhnte. »Oh Mann ...«
»Ich weiß, ich weiß. Er ist ein Neandertaler.«
»Das ist eine Beleidigung für die Neandertaler.«
»Ist mir klar, okay? Aber Moose mag mich. Über jede Kleinigkeit, die ich sage, lacht er immer wie eine verdammte Hyäne. Der springende Punkt ist: Ich mag selbst keine Fäuste aus Stahl besitzen ... aber ich kenne Leute, auf die das zutrifft.«
Kent trat einen Schritt zurück, um sein Werk zu begutachten. Bei Tageslicht würde die rote Sprühfarbe auf dem ausgebleichten schwarzen Lack des Autos unübersehbar sein. Die Vorstellung, dass Mark in der alten Schrottlaube mit TUNTE in großen, dicken Lettern auf der Fahrertür zur Schule fahren musste, erzeugte bei ihm ein breites Grinsen. Dann jedoch verblasste es, als ihm ein ärgerlicher Gedanke kam.
Wahrscheinlich schwänzt er einfach .
Scheiß drauf. Spielt keine Rolle.
Das ist bloß der Auftakt.
Jeder gerechte Kampf brauchte einen Anführer und Kent wusste, dass er als einziger Schüler der Ransom High dieser Aufgabe gewachsen war. Einen Beweis dafür lieferte die Verunstaltung von Mark Bells Auto. Ein guter General wusste, wann die Zeit reif dafür war, den Feind mit eigenen Waffen zu schlagen. Diese Aktion unterstrich seine Absichten eindrucksvoll. Kent hatte sich nachts rausgeschlichen, genau wie sie. Er hatte eine harmlose kriminelle Handlung begangen, genau wie sie. Völlig untypisch für ihn. Es musste jeden schockieren, der ihn kannte.
Brett legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Lass uns abhauen, bevor sie zurückkommen.«
Kent schüttelte ihn ab. »Noch nicht. Wir haben noch mehr Arbeit zu erledigen.«
Brett stöhnte erneut. »Meinst du das ernst?«
»Todernst. Weißt du, wo Natasha Wagner wohnt?«
19
Das muffige Wohnzimmer erwies sich als vollständig möbliert. Mark richtete den Strahl der Taschenlampe auf ein langes Sofa und drang weiter in den Raum vor. Natasha blieb an seiner Seite und hielt sich leicht an seinem linken Arm fest. Der Hartholzboden knarrte, wenn sie sich bewegten, und gab bei jedem ihrer Schritte etwas nach. Nach der langjährigen Versiegelung des Hauses bestand durchaus die Möglichkeit, dass die Bretter unter ihren Füßen gefährlich morsch geworden waren. Termiten konnten gehörigen Schaden angerichtet haben. Bislang jedoch hielt der Boden und Mark hatte nicht vor, der Buhmann zu sein, der vorschlug, die Expedition aus Sicherheitsgründen abzublasen. Alle anderen schienen kein Problem mit dem Risiko zu haben, also gedachte er, ebenfalls darauf zu pfeifen.
Mark schwenkte die Taschenlampe und erhellte mehr von der Möblierung des Raums. Zu beiden
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