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Die Finsteren

Die Finsteren

Titel: Die Finsteren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bryan Smith
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warte mal. Scheiße. Ich muss auflegen.«
    Die Leitung wurde an ihrem Ohr unterbrochen. Suzie seufzte und fühlte sich einen Moment lang quälend leer. Egal. Schon bald würde Tom ihr gehören.
    Sie kehrte in die Küche zurück.
    Und fand sie menschenleer vor.
    Gott sei Dank .
    Sie hatte sich nicht darauf gefreut, die unerträgliche Unterhaltung mit Ella fortzusetzen. Suzie wurde bewusst, wie erschöpft sie sich fühlte. Eine Mütze Schlaf wäre jetzt fein. Sie trat den Rückweg zum Schlafzimmer an, hielt jedoch am offenen Durchgang inne, der die Küche vom Wohnzimmer und der Diele separierte. Suzie zog eine Augenbraue hoch, weil sie glaubte, etwas Merkwürdiges gehört zu haben. Ein Keuchen. Oder ein Stöhnen. Sie steckte den Kopf durch den Bogen und starrte die Treppe in den ersten Stock hinauf. Oben herrschte Dunkelheit, aber durch einen schmalen Spalt in der Tür zu Dereks Schlafzimmer drang trübes Licht. Das Keuchen wiederholte sich.
    Du unartiger Junge .
    Es klang, als masturbierte er dort oben und versuchte, dabei leise zu sein.
    Also wirklich, Derek ... wichst am Tag der Beerdigung deines Vaters. Tja, ich schätze, du bist auch nicht besser als ich, was?
    Sie vergaß schlagartig alle Gedanken an ein Nickerchen, streifte die fünf Zentimeter hohen Stöckelschuhe ab und begann auf Strümpfen, die mit Teppich ausgelegte Treppe zu erklimmen, wobei sie vorsichtig auftrat, um ein warnendes Knarzen der Stufen zu verhindern. Ihr Instinkt warnte sie, dass ihr geplanter Akt des Voyeurismus eine schlechte Idee sein könnte. Die merkwürdige Veränderung seines Verhaltens bereitete ihr nach wie vor Kopfzerbrechen. Allerdings überstimmten die Reste der erotischen Ladung von der Unterhaltung mit Tom ihre Vernunft. Sie erinnerte sich an ihre ursprünglichen Pläne mit Derek in der Nacht von Kurts Tod. Suzie hoffte inständig, sie würde ihn auf frischer Tat ertappen. Und dann war da noch der Spalt in der Tür. Es schien fast so zu sein, als wolle er, dass man ihn beobachtete.
    Oh, und wie ich dich beobachten werde, mein Schatz.
    Und vielleicht wird es nicht dabei bleiben.
    Aber auf halbem Weg die Treppe hinauf hielt sie inne und runzelte die Stirn, als ihr weitere Details aus jener Nacht einfielen. Kurz vor Sonnenaufgang kehrte er zurück, erklomm den Baum und stieg durch das Fenster in sein Zimmer ein, wo sie bereits auf ihn wartete. Ihre Absicht hatte darin bestanden, ihm die Neuigkeit vom Tod seines Vaters unverblümt vor die Füße zu werfen. Sie wollte ihre Befehlsgewalt über ihn wiederherstellen, während er psychisch aus dem Gleichgewicht geriet, und ihn dafür schelten, dass er ihr in der Stunde der Not keinen Beistand geleistet hatte. Danach wollte sie ihn bestrafen und ihm die Tracht Prügel verabreichen, die er schon seit Stunden verdiente. Zu diesem Zeitpunkt waren Polizei und Sanitäter längst wieder abgezogen und hatten Kurts aufgedunsenen Leichnam mitgenommen. Der Junge musste in die Schranken gewiesen werden. Es gab niemanden mehr, der sie davon abhalten konnte, auf jegliche Mittel zurückzugreifen, die sie für notwendig erachtete, um sein Verhalten zu bessern.
    Allerdings hatte sie den Plan verworfen, sobald er das Zimmer betrat. Alle Farbe wich aus ihrem Gesicht, als sie ihn eingehend betrachtete. Seine Kleider glichen nur noch Fetzen, die lose an seinem schlanken Körper hingen. Durch die riesigen Löcher im Stoff lugte viel Haut hervor, übersät mit blauen Flecken und Kratzern. Im Gesicht, an den Armen und auf dem Rücken zeigten sich Schnitte. Ein genauerer Blick auf die dunklen Kleider verriet, dass sie voller Blut waren. Nachdem Suzie den ersten Schock verwunden hatte, ging sie davon aus, dass man ihn in einen brutalen Kampf verwickelt hatte und er unter Umständen froh sein konnte, mit dem Leben davongekommen zu sein.
    Seine Augen wirkten dunkler, als sie sein sollten, beinahe schwarz. Er sprach kein Wort, dennoch wurde ihr in diesem Moment klar, dass etwas nicht stimmte. Etwas, das tiefer reichte als die offensichtliche körperliche Misshandlung, die er erlitten hatte. Dann rollten seine Augen nach oben und er kippte um, ein totes Gewicht, das zu Boden sackte, den Hartholzboden erschütterte und seine Gitarre von ihrem Ständer purzeln ließ. Die Les Paul landete mit einem misstönenden dumpfen Aufprall.
    An dieser Stelle hatte Suzie aufgeschrien, überzeugt davon, dass er nicht mehr lebte. Schnell stellte sie fest, dass sie sich irrte. Seine Atmung wirkte ganz normal. Nur wachte er

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