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Die Finsteren

Die Finsteren

Titel: Die Finsteren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bryan Smith
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schaute zu einem gerahmten Poster an der Wand über der Toilette. Das Poster stammte von der Originalfassung von Blutgericht in Texas und zeigte Leatherface mit seiner Kettensäge und einem Mädchen, das an einem Fleischerhaken baumelte. Am unteren Rand stand: Wer wird überleben…und was wird von den Überlebenden übrig sein?
    »Ja«, murmelte sie und lächelte verkniffen durch ihre Tränen. »Was wird von uns übrig sein?«
    Neben der Duschkabine aus Glas hing ein weiteres gerahmtes Plakat an der Wand. Janet Leigh in Psycho. Ihre Eltern verstanden ihr Interesse an morbiden Dingen nicht, aber sie gaben sich zumindest Mühe. Wenn es um Akzeptanz und Toleranz von Elternseite ging, hatte sie es erheblich besser als die meisten ihrer Freunde. Bei einer von etlichen Unterhaltungen zu dem Thema mit Colleen Wagner hatte Natasha einmal gemeint: »Horror ist mein Leben.« Ihre Mutter machte sich damals weder darüber lustig noch ermahnte sie ihre Tochter, sich praktischeren Interessen zuzuwenden. Dafür liebte Natasha sie. Allerdings wünschte sie mittlerweile, diese Worte nie ausgesprochen zu haben. Mittlerweile kam ihr die Äußerung mehr wie eine Prophezeiung vor als wie ein Ausdruck ihrer innigsten Träume und Sehnsüchte.
    Ja, dachte sie. Horror ist mein Leben, und jetzt sogar wirklich. Und es ist kein Happy End für meinen verfickten Film in Sicht ...
    Sie blieb vor der Toilette, bis sie sicher war, dass sich ihr Magen beruhigt hatte. Dann betätigte sie die Spülung, stand auf und betrachtete sich im Spiegel. Sie sah beschissen aus. Unter ihren Augen prangten dunkle Ringe. Seit sie nachts nicht mehr loszog, schlief sie wesentlich mehr, trotzdem wirkte sie irgendwie müder denn je.
    Ich sehe echt scheiße aus.
    Und ich fühl mich auch so.
    Als sie ihren Anblick nicht länger ertragen konnte, tapste sie mit herabgesackten Schultern und hängendem Kopf zurück in ihr Zimmer. Die Beine des viel zu langen Pyjamas schleiften über den Teppich.
    Natasha setzte sich auf die Bettkante und überlegte, ob sie anfangen sollte, sich für die Schule vorzubereiten, oder sich stattdessen von ihrer Mutter krankmelden lassen sollte. Auch mit den Hausaufgaben kam sie neuerdings schwerer zurecht. Als hätte es nicht gereicht, dass sie eine Art Dämon oder Geist schändete, hatte in derselben Nacht irgendein Arschloch ihr Auto verwüstet und hässliche Worte auf die Türen gemalt. Etwas Ähnliches war mit Marks Wagen passiert.
    Unter anderen Umständen wäre sie außer sich vor Zorn gewesen, hätte ihre Wut kaum bändigen können. Und Mark hätte sich längst auf den Kriegspfad begeben. Aber angesichts ihrer grauenhaften gemeinsamen Erfahrung empfanden sie es lediglich als Beiläufigkeit. Irgendjemand wollte sich also wie ein Arschloch aufführen – na und? Ihr spukten wichtigere Dinge im Kopf herum, unter anderem ihr zunehmend labilerer Geisteszustand. Dennoch fühlte sich das Umfeld in der Schule unbestreitbar angespannter an. Der Zauber der Einschüchterung, den sie und ihre Freunde als Gruppe gewirkt hatten, war gebrochen. Jedes Mal, wenn sie durch die Gänge der Ransom High School lief, spürte sie die grinsenden Blicke ihrer Klassenkameraden. Das war zwar ärgerlich, aber die meiste Zeit fühlte sie sich zu betäubt, um sich großartig daran zu stören.
    Natasha bemerkte das leuchtende Display ihres Handys, das sie am Vorabend auf dem Nachttisch abgelegt hatte. Jemand hatte ihr innerhalb der letzten Minute eine SMS geschickt. Das wusste sie, weil die Anzeige immer rund 60 Sekunden nach Erhalt einer Nachricht abschaltete.
    Sie ergriff das Telefon und zuckte zusammen, als sie Marks Nummer erkannte.
    Die Nachricht lautete: Komm heute Nacht raus. Bitte .
    Natasha löschte die Mitteilung, ohne eine Antwort zu schicken, und legte das Handy wieder beiseite. Der Atem stockte ihr in der Kehle, als sie von einer intensiven Sinneserinnerung bestürmt wurde. Der Moment, in dem sie Mark geküsst hatte. Beinahe glaubte sie, um die Taille seine starken Arme zu spüren, die sie fest an seinen Körper drückten. Es hatte sich so wunderschön angefühlt. Sie fing zu weinen an. Fast schien es, als befände er sich in diesem Augenblick bei ihr im Zimmer.
    Nur war das nicht so.
    Und es würde auch nie wieder so sein. Ihr Entschluss stand fest.
    Natasha wischte sich weitere Tränen ab, als es an ihrer Tür klopfte. »Tasha? Liebes? Es wird allmählich spät. Bist du schon fertig für die Schule?«
    Natasha räusperte sich. »Ich geh heute nicht, Ma.

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