Die Finsteren
Eltern kennen mich nicht mal. Wie krass ist das eigentlich? Ihre Ma hat aufgemacht und gesagt, dass Natasha mich nicht sehen will.«
»Warte mal. Warum behauptet sie das? Du hast doch gerade gesagt, sie kennt dich gar nicht.«
Frustriert streckte Mark die Hände in die Luft. »Scheiße, keine Ahnung, Mann. Natasha muss ihr wohl eine total gute Beschreibung von mir gegeben haben. Jedenfalls meinte ihre Mutter, ich soll mich nie wieder dort blicken lassen, weil sie sonst die verdammte Polizei ruft.«
Clayton nickte. »Aha. Verstehe. Pass auf, ich will hier nichts runterspielen, sondern nur sicher sein, dass ich’s kapiere – du bist deshalb so fertig, weil dich deine Freundin abserviert hat. Ist das alles, was los ist?«
Mark kämpfte sichtlich darum, sich in den Griff zu bekommen. Als er zumindest einen Hauch von Kontrolle zurückgewonnen hatte, trank er einen Schluck aus der Bud-Light-Flasche. »Nein, Mann.« Mittlerweile klang seine Stimme leiser, fast nüchtern. Nein, nicht nüchtern. Verängstigt . »Da ist noch was. Es ist was passiert. Etwas so Ätzendes, dass ich mich am liebsten umbringen würde, um nicht mehr daran zu denken.«
Clayton nahm einen weiteren Schluck. »Okay. Erzähl mal.«
Mark holte tief Luft. »Da ist dieses Haus. Alt und verlassen. Ein gutes Stück im Wald auf der anderen Seite der Weakley Lane. Wir sind dort eingebrochen, einfach so aus Spaß, verstehst du? Irgendwas war dort. Etwas ... Böses. Es ließ uns Sachen tun. Schrecklichen und absolut kranken Mist.«
Einer der Sätze traf Clayton wie ein Faustschlag.
Irgendwas war dort.
Die Snake-Dog-Flasche rutschte ihm aus den plötzlich tauben Fingern und zerbrach auf dem Hartholzboden. »Scheiße.«
Mark starrte ihn mit zusammengekniffenen Augen an. »Kumpel ... geht’s dir gut?«
Clayton erwiderte nichts. Eine eisige Kälte nistete sich rings um sein Herz ein.
Ein Gedanke schien den dichten Rauschnebel zu durchdringen, der Marks Gehirn verhüllte. »Hey ... weißt du etwa irgendwas über das Haus?«
Clayton zwang sich, zu schlucken und tief Luft zu holen. »Das ist das Hollis-Haus. Was ich darüber weiß, hat mir mein Vater erzählt, bevor er sich umbrachte. Ich habe nie ein Wort davon geglaubt. Zu verrückt. Aber mein Vater hat’s geglaubt. Deshalb hat er sich umgebracht. Und wenn dieser ganze Wahnsinn auch nur ein Körnchen Wahrheit enthält, würde das erklären, warum du dich so aufführst – vor allem, wenn ihr so strunzdumm gewesen seid, in das verfluchte Haus einzubrechen.«
Mittlerweile wirkte der Junge definitiv verängstigt. »Ich wünschte, wir könnten die Zeit zurückdrehen und wären da nie reingegangen.«
Clayton stöhnte. »Aber das seid ihr.«
»Ja.«
»Du Vollidiot. Ihr alle seid das. Verdammte Idioten.«
»Ja.«
Clayton stemmte sich aus dem Sessel und ging in die Küche. Er kam mit einem Kehrblech und einem kleinen Handbesen zurück, fegte die Überreste der zerbrochenen Flasche auf, lief noch einmal in die Küche zurück, um die bräunlichen Scherben zu entsorgen, und holte zwei weitere Flaschen Bier aus dem Kühlschrank.
Im Wohnzimmer hielt er Mark ein Guinness hin. »Da, nimm.«
Mark wirkte irritiert. »Ich bin mit dem ersten noch gar nicht fertig.«
»Das ist ein verficktes O’Doul in einer Bud-Light-Flasche. Ich wollte verantwortungsvoll sein, aber scheiß drauf. Nimm!«
Mark nahm die Flasche entgegen.
Clayton ließ sich wieder auf den Sessel plumpsen. »Mann, Mann. Na schön, pass auf. Um das alles zu verarbeiten, solltest du nüchtern sein. Deshalb heb ich mir den Großteil für ein andermal auf. Sagen wir morgen Abend. Und versuch, so viele deiner Freunde wie möglich mitzubringen.«
»Im Moment red ich mit keinem von denen.«
Clayton streckte einen Finger in Marks Richtung. »Das ist wichtig!«
Mark nickte. »Na gut, ich versuch’s. Werd mich bemühen.«
»Tu das. Und jetzt verrate mir noch was – habt ihr eure dämlichen Ärsche auch in den Keller runtergeschleppt?«
Bei der Erwähnung des Kellers begann Marks Kieferpartie zu zittern.
Mehr brauchte Clayton als Antwort nicht.
»Alles klar.«
Von Marks Augen lösten sich abermals Tränen. »Was haben wir getan? Oh Gott, was haben wir getan?«
Claytons Mund bildete eine verkniffene, schmale Linie. »Also, ich behaupte immer noch nicht, dass ich dran glaube, aber ...«
»Aber?«, hakte Mark nach.
Clayton leerte den Rest seiner Flasche mit einem langen Zug. »Sei vorsichtig, wenn du deine Freunde drauf ansprichst, morgen
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