Die Finsteren
Dämonen heraufzubeschwören und zu binden. Mächtige Wesen, die er benutzt hat, um seine Gegner einzuschüchtern und zu quälen.«
Norman lachte. »Das ist ein Scherz ... richtig?«
»Nein.«
»Also ... war er verrückt?«
»Nein.«
Norman zog an der Cohiba und grinste breit, als er den Zeigefinger auf Harper richtete. »Alles klar, alter Freund. Einen Moment lang hattest du mich tatsächlich, aber ...«
Abrupt stand der Bürgermeister auf, ging um den Schreibtisch herum und baute sich vor ihm auf. Normans Grinsen verblasste, als er in das Gesicht des Mannes starrte. Er hatte das unangenehme, magenverkrampfende Gefühl, einen gefährlichen Fremden statt einen vertrauten alten Freund vor sich zu haben. Die fieberhafte Intensität, mit der ihn der andere musterte, ließ ihn nervös hin und her rutschen. Herrgott, alles an diesem Tag schien falsch und verkehrt zu sein. Norman konnte nicht begreifen, wie sein gesamtes Leben innerhalb weniger Stunden dermaßen aus der Spur geriet. Bis zu diesem Tag hatte er sich glücklich und erfolgreich gefühlt, rundum zufrieden mit nahezu jedem Aspekt seines Daseins. Nun war er zum Mörder geworden und sein bester Freund redete wahnwitzigen Unsinn. Irgendwann fing Harper wieder zu reden an, doch Norman befand sich in einem solchen Zustand inneren Aufruhrs, dass er kein Wort mitbekam.
»Hörst du mir überhaupt zu?«
Norman blinzelte. »Was?« Er drückte die Zigarre aus und wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Ich fühl mich nicht besonders.«
Harpers Mundwinkel zuckten. Seine Augen traten auf seltsame und beunruhigende Weise vor. »Spürst du sie?«
»Äh ...« Norman rutschte zum Rand des Stuhls. Höchste Zeit, Land zu gewinnen . »Keine Ahnung, wovon du redest. Ich spür einen Dreck. Und, äh, weißt du, irgendwie denke ich, dass ich vielleicht ... na ja ... gehen sollte. Ich hätte dich nicht damit belasten sollen. Ein Mann muss seinen Mist selbst aufräumen. Also mach ich mich mal besser auf den Weg.«
Er setzte an, sich vom Stuhl zu erheben.
Harper grinste.
Etwas im Gesichtsausdruck des Bürgermeisters ließ Norman innehalten. Etwas stimmte nicht daran. Harpers Züge wirkten irgendwie ... unmenschlich. Fast schon animalisch. Wie die Miene eines brutalen Jägers in der Wildnis, der seine Beute in die Enge trieb. Es war ein hungriger Ausdruck. Ein wildes und hämisches Aufblitzen von lange verborgenem Wahnsinn.
Norman schluckte.
Harper lachte. »Und ob du sie spürst. Die Gegenwart des Dämons.«
Norman wusste nicht, was er darauf antworten sollte. »Äh ...«
Du bist ein durchgeknallter Mistkerl. Herr, bitte schaff mich hier raus. Ich werde auch nie wieder sündigen, ich schwör’s .
Plötzlich riss sich Harper die Jacke vom Leib und schleuderte sie quer durch den Raum. Normans Gesichtshaut runzelte sich verwirrt, als der Mann an der um seinen Hals geknoteten Krawatte zerrte. Sie löste sich und Harper begann, vorne an seinem Hemd zu reißen. Knöpfe sprangen vom Stoff und holperten über den mit Teppichen ausgelegten Boden. Für Norman bestand kein Zweifel mehr, dass er sich in Gesellschaft eines völlig Geistesgestörten befand.
Der Bürgermeister von Ransom stand keuchend in der Mitte des Raums. Seine muskulöse Brust hob und senkte sich bei jedem tiefen Atemzug deutlich. Harper war zwar nie ein waschechter Fettsack gewesen, aber durchaus verweichlicht wie viele Männer seines Alters und Rangs. Nun jedoch erinnerte sein Körperbau an den eines Fitnessfanatikers. Überall zeichneten sich definierte, harte Muskeln ab. Genauso unerklärlich war das Narbengewebe auf dem Bauch des Mannes. Norman entdeckte auf der Haut sich überschneidende, reliefartig erhabene Linien, die kreisförmig angeordnet waren. Jemand schien ihn mit einem Pentagramm gebrandmarkt zu haben.
Dasselbe Symbol hatte er auf einem der vernagelten Fenster am Hollis-Haus gesehen.
»Großer Gott ...« Norman zitterte. »Was ... was ist mit dir?«
Harper ließ ein weiteres irres Grinsen aufblitzen. »Dein Vater hat mich in seine Geheimnisse der Dämonologie eingeweiht. Gemeinsam haben wir den Dämon Andras und dessen Schergen Flauros heraufbeschworen. In früheren Zeiten nannte man Andras den Menschenschlächter. Er zählt zu den tödlichsten aller Dämonen. Dein Vater und ich wurden reich, indem wir uns seine Macht zunutze machten, aber Andras war zu mächtig. Wir konnten ihn irgendwann nicht mehr kontrollieren und mussten etwas unternehmen.«
Norman nickte. »Klar. Verstehe. Das klingt
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