Die Finsteren
Augen des Manns schimmerten in einem harten, unbarmherzigen Blau, seine vorstehende Kieferpartie schien aus Granit gemeißelt zu sein.
Frederick lachte. »Sagen Sie Hallo zu Sasha.«
»Ist das nicht ein Frauenname?«
Sashas Nasenflügel blähten sich.
Frederick lächelte. »Ich würde Ihnen raten, sich jeglichen weiteren Kommentar, der die Männlichkeit des lieben Sashas anzweifelt, zu verkneifen, Herr Campbell.«
In Normans Kopf drehte sich weiterhin alles. » ›Herr‹? Was zum Geier soll das? Bist du jetzt auf einmal Deutscher?«
Frederick stieß ein weiteres irres Gelächter aus und riss am Starterseil der Kettensäge. Die große McCulloch stotterte kurz und erwachte dann brüllend zum Leben. Frederick senkte das rotierende Blatt auf den zierlichen Hals der toten Louella. Die Klinge fraß sich gierig in die Haut und verwandelte sie schlagartig in ein Übelkeit erregendes Chaos, ließ Gewebefetzen und Knorpelbrocken überallhin fliegen. Dann löste sich der Kopf mit einem feuchten Laut vom Rumpf und kreiselte über die Plastikfolie.
Norman spürte die Schmerzen kaum, als seine Knie auf dem harten Zementboden landeten.
Er wollte die Augen vor dem Blutbad verschließen, doch es gelang ihm nicht. Alles, was er empfand, waren Abscheu, intensiver Hass und Ekel. Es spielte keine Rolle, dass ursprünglich er die Frau getötet hatte. Das war instinktiv geschehen. Eine aus der Verzweiflung geborene Tat der Selbsterhaltung. Dies jedoch war etwas völlig anderes.
Harpers Butler – oder was immer er in Wirklichkeit sein mochte – tat es, weil es ihm Vergnügen bereitete.
Lieber Herr Jesus ...
Norman gelang es während der ganzen Szene nicht, den Blick abzuwenden. Etwas in seinem Inneren zwang ihn, hinzusehen und zu bezeugen, wie die dröhnende Kettensäge seine ehemalige Geliebte Stück für Stück auf unkenntliche Haufen blutigen Fleisches reduzierte.
Nach einer schier endlosen Zeit hörte das Gemetzel schließlich auf.
Aber Norman wusste, dass damit das Grauen, das in sein Leben Einzug gehalten hatte, noch lange nicht ausgestanden war.
Er befürchtete, dass es möglicherweise niemals endete.
24
Es klingelte an der Tür. Lydia Bell sah von der aktuellen Ausgabe von Entertainment Weekly auf und starrte mit finsterer Miene in Richtung Vordertür, die sie von ihrer derzeitigen Lage – mit angezogenen Beinen auf dem Ledersofa im Wohnzimmer – allerdings nicht sehen konnte. Die Klingel war eine ungebetene Störung. Sie hatte sich daran gewöhnt, das Haus vormittags ganz für sich allein zu haben. Da Tom arbeitete und Mark vermutlich in der Schule saß – oder irgendwo beim Saufen mit anderen Taugenichtsen –, herrschte um diese Tageszeit normalerweise Stille im Haus. Lydia schaltete nie den Fernseher ein und hörte auch keine Musik. Sie empfand die Stille als wahren Segen. Die Ruhe gewährte ihr ein gewisses Maß an Friedlichkeit in einem Leben, das sich ständig anfühlte, als könnte es jeden Moment in sich zusammenfallen.
Abermals läutete es.
»Verdammt noch mal!«
Um diese Tageszeit tauchte nur selten jemand auf. Im Verlauf des vergangenen Jahres hatte sich Lydia zunehmend von ihren Freundinnen aus der Nachbarschaft distanziert. Der letzte Versuch einer Kontaktaufnahme lag schon Monate zurück. Anscheinend hatte Lydia die anderen Frauen zu oft hängen gelassen, bis sie es einfach aufgaben. Lydia störte das nicht. Sie sehnte sich nicht länger nach zwischenmenschlichem Umgang und brauchte keine Gesellschaft.
Lydia stand auf und stapfte aus dem Wohnzimmer. Als sie die Diele erreichte, schrillte die Klingel erst ein drittes, dann ein viertes Mal. Jeder neue Ton fühlte sich wie ein Messerstich im Schädel an. Ihr Besucher war ungeduldig und hartnäckig. Wer immer es sein mochte, Lydia hasste ihn bereits jetzt. Sie entriegelte die Tür und riss sie auf. Ein Fluch erstarb auf ihren Lippen, als sie sah, wer da auf ihrer Veranda stand.
»Hi!«
Suzie McGregors Stimme klang glockenhell und fröhlich, passte perfekt zum breiten Lächeln, das ihre makellos weißen und ebenmäßigen Zähne zum Vorschein brachte. Lydias Mund klappte auf, während sich ihre Gedanken panisch überschlugen. Eine Fülle widerstreitender Überlegungen und Emotionen wirbelte durch ihren Kopf, machte es ihr mehrere Momente lang unmöglich, etwas zu erwidern oder klar zu denken. Die Frau hatte wirklich Nerven! Ihr erster Instinkt bestand darin, die andere anzuschreien und zu beschimpfen, aber sie wollte dem Flittchen nicht die
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