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Die Finsteren

Die Finsteren

Titel: Die Finsteren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bryan Smith
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wehren. Sie konnte nur noch weinen und es über sich ergehen lassen.
    Lydia hatte keine Ahnung, wie lange es sich hinzog.
    Auf Rückhandschläge folgten Hiebe mit der Handfläche, dann wieder Rückhandschläge und erneute Hiebe. Ihr Gesicht wurde völlig wund und irgendwann platzte ihre Lippe auf, sodass ein dünnes Rinnsal aus Blut über Kinn und Hals hinablief und den Kragen ihres T-Shirts mit dem Amnesty-international-Logo rot einfärbte.
    Benommen hörte sie das Geräusch einer Tür, die sich irgendwo im Haus öffnete, und verspürte einen schwachen Funken Hoffnung. Es musste sich um Tom handeln, der nach Hause kam. Jetzt wurde alles gut. Er mochte sie betrogen haben und möglicherweise hatte er sogar geplant, sie wegen Suzie zu verlassen, aber Lydia wusste, dass er tief im Herzen ein anständiger Kerl war. Auf keinen Fall würde er zulassen, dass sich diese Tortur fortsetzte.
    Schwere Schritte näherten sich der Küche. Lydias Blick zuckte in die Richtung der Geräusche. Durch einen Tränenschleier erkannte sie die schlanke, maskuline Gestalt ihres Ehemanns. Er trug den Anzug, den er an diesem Morgen angezogen hatte, an seiner rechten Hand baumelte der Aktenkoffer. Seelenruhig legte er ihn auf dem Küchentisch ab und lockerte seine Krawatte, während Suzie weiter auf Lydia eindrosch.
    Er räusperte sich. »Was ist hier los?«
    Endlich hörte Suzie auf, sie zu schlagen, und bedachte Tom mit einem strahlenden Grinsen. »Liebling! Ich bin vorbeigekommen, um dir beim Packen zu helfen, wie wir es geplant hatten, aber du warst noch nicht da. Deshalb habe ich beschlossen, mir die Zeit zu vertreiben, indem ich die Scheiße aus deiner Hexe von Ehefrau rausprügle.« Ihr Gesicht verzog sich zu einer übertriebenen Schmollmiene, einer höhnischen Parodie angeblichen Bedauerns aufgrund ihres Übergriffs. »Du liebes bisschen. Bin ich etwa zu weit gegangen?«
    Lydia streckte eine Hand in seine Richtung aus. »Tom ... bitte ... hilf ... mir ...«
    Tom trat auf die beiden Frauen zu und Lydia verspürte einen weiteren kurzen Anflug von Hoffnung.
    Dann hob er den Fuß und trat ihr mit dem dicken Absatz seiner Oxfords auf die Hand. Lydia schrie auf und starrte mit einem verletzten, gequälten Ausdruck zu ihm hoch. Trotz allem, was sie durchgemacht hatten – wie konnte er ihr das antun? Dann bemerkte sie die gewaltige Erektion, die den Schritt seiner Hose wie ein Zelt wölbte, und begriff, dass die Liebe, die sie einst geteilt hatten, nicht länger existierte.
    Lydia wollte sterben.
    Außerdem erkannte sie verspätet den wahren Grund, warum sie sich dagegen gesträubt hatte, Tom zu töten. Einem unbestimmten Teil von ihr war immer bewusst gewesen, dass sie ein Leben ohne ihn nicht ertragen konnte.
    »Wir sollten sie umbringen. Das wäre lustig«, meinte Suzie.
    »Nein, das würde zu viele Fragen aufwerfen. Außerdem gäbe das eine gewaltige Sauerei. Wir sollten sie zu Andras bringen.«
    Lydia wimmerte.
    Irgendwie hatte sich ihr Ehemann mit Suzies Wahnvorstellungen angesteckt. Konnte man sich wirklich mit einer Geisteskrankheit infizieren?
    »Ja!« Suzie nickte nachdrücklich. »Wir sollten sie ihm als Opfer anbieten. Dadurch wird er uns umso mehr lieben. Aber bevor wir es tun ...« – sie blickte auf Lydia hinab, und ihr Grinsen wirkte breiter und irrer denn je – »... sollten wir noch ein wenig Spaß mit ihr haben.«
    Tom kicherte. »Gute Idee. Schaffen wir sie ins Schlafzimmer. Dort gibt es ein paar Sachen, die wir benutzen können. Stimmt doch, Lydia, oder?«
    Lydias Antwort bestand lediglich aus einem weiteren hilflosen Wimmern.
    Suzie stand auf und zerrte Lydia mit einem Ruck auf die Beine.
    Dann packten Suzie und Tom jeweils einen ihrer Arme und schoben sie durch das Haus in Richtung Schlafzimmer.
    Es verging noch eine Menge Zeit, ehe sie Lydia zu Andras brachten.

25
    Als die Glocke an diesem Nachmittag um 15 Uhr zum Unterrichtsende schrillte, sprang Kevin Cooper von seinem üblichen Platz in der hinteren Reihe der Soziologieklasse auf und verließ den Raum vor allen anderen. Er stürmte durch die Tür nach draußen und rannte den Korridor in vollem Lauf entlang.
    Mr. Harris, der vorne im Klassenzimmer hinter seinem Schreibtisch stand, blickte zur Tür, als sie zuschwang. Grinsend musterte er die restlichen Schüler, die noch auf ihren Stühlen saßen, über den Rand seiner Lesebrille hinweg. »Ich möchte, dass ihr Kapitel acht aus dem Lehrbuch zu Ende lest und eine einseitige Zusammenfassung über den Text verfasst.

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