Die Finsteren
drehte Fiona den Innenspiegel in seine Richtung. »Sieh dich an. Verdammt, sieh dir an, was die mit dir angestellt haben.«
Kevin schaute in den Spiegel und zuckte beim mittlerweile vertrauten Anblick seiner lädierten Unterlippe und des zugeschwollenen Auges zusammen. Er verspürte immer noch am ganzen Leib höllische Schmerzen. Die verschreibungspflichtigen Medikamente, die Fiona aus dem üppigen Vorrat ihrer Mutter gestohlen hatte, betäubten sie nur geringfügig.
Fionas harter Gesichtsausdruck wurde etwas weicher. »Früher oder später passiert Menschen wie dir und mir immer so ein Mist. Wir gehören nicht dazu. Wir sind anders. Und das können die verfickten Normalos nicht ab. Also meinen sie, uns in die Schranken weisen zu müssen. Sie prügeln uns nieder. Hauen die Scheiße aus uns raus. Lassen uns wissen, dass wir nicht durchs Leben kommen, wenn wir anders sind. Dass wir uns anpassen müssen oder wieder und wieder im Dreck landen.«
Kevin schüttelte den Kopf. »Nein. Das ist ... Weißt du, so ein Mist passiert eben in einer kleinen Stadt. Cliquen, die gegen andere Cliquen kämpfen. Nichts davon spielt noch eine Rolle, wenn wir älter sind.«
»Wir werden nicht älter.«
Kevin heftete den Blick auf den Lauf des Revolvers und empfand es als unheimlich, wie ruhig ihre Hand blieb. Er sah sie an. »Bitte bring mich nicht um.«
»Es tut mir leid. So hätte es nicht laufen sollen.«
Kevins Augen wurden feucht. »Bitte.«
»Wir können nicht weiterleben. Das musst du doch einsehen.«
Plötzlich ging Kevin ein Licht auf. Natürlich. Er hätte es schon früher kapieren müssen. Hier ging es gar nicht um Rache für die Prügel, die er einstecken musste. Verdammt, das war der geringste Teil davon. In Wahrheit ging es um die Nacht im Keller. Das war es, womit Fiona nicht mehr klarkam. Der eigentliche Feind. Die dunklen, bizarren Erinnerungen. Deshalb hatte sie ihn so schnell auf dieses Szenario mit Mord und Selbstmord eingeschworen – weil sie wusste, dass er am empfänglichsten darauf reagierte, solange die Abreibung noch frisch im Gedächtnis haftete.
Sie lächelte, erkannte an seinem Blick, dass er verstand. »Es muss so sein. Ist schon in Ordnung, Kevin. Eigentlich ist es meine Schuld. Ich hätte wissen müssen, dass du nicht stark genug dafür bist.« Sie drückte den Lauf des Revolvers gegen seinen Bauch. »Es tut mir leid. Wir sehen uns auf der anderen Seite.«
Mit einem Schlag kam Kevin alles völlig verrückt vor.
Gemäß dem ursprünglichen Plan hätte er zuerst sie getötet und wäre dann hineingegangen, um Hickerson und dessen Freunde wegzupusten. Und danach sich selbst, um den Pakt zu besiegeln. Er verfluchte sich für seine Dummheit. Selbst am Tiefpunkt der Demütigung hätte er sich nicht eine Sekunde darauf einlassen dürfen, mitzuspielen.
Fiona zuckte zusammen, als eine Faust auf ihrer Seite laut gegen das Fenster hämmerte.
Kevin sog scharf die Luft ein, als der Lauf der Waffe fester gegen seinen Bauch drückte. Er spannte den Körper an, weil er damit rechnete, dass Fiona vor lauter Überraschung einen Schuss abfeuerte. Aber ihr Finger hielt sich vom Abzug fern, als sie den Kopf drehte, um über die Schulter nachzusehen, wer da störte. Kevin streckte sich und erblickte Mark Bells grinsende Visage, die durch die Scheibe hereinspähte. Mark wirkte irgendwie fertig. In seiner Nähe stand noch jemand. Mit kräftiger Statur. Das musste Jared sein.
Kevin winkte.
Er ließ den Blick auf Mark gerichtet, als er zu Fiona sagte: »Weg mit der Kanone, okay? Du willst das jetzt nicht tun. Nicht, während sie dabei sind.«
Ihr Kopf schwenkte zu ihm. »Okay.«
Sie ließ den Revolver los. Kevin nahm ihr die Waffe ab und steckte sie in das kleine Ablagefach in der Tür auf seiner Seite. Er war ziemlich sicher, dass Fionas Körper den Lauf für Blicke von draußen abgeschirmt hatte. Kevin konnte das nur recht sein. Er wollte nicht, dass die anderen erfuhren, wie kurz Fiona davor gestanden hatte, ihn zu töten.
Er drückte den Knopf für den elektrischen Fensterheber und die Scheibe auf Fionas Seite fuhr nach unten.
Mark steckte den Kopf in den Wagen. Sein Atem roch nach Alkohol. Er grinste. »Wusst ich’s doch, dass das dein abgefuckter Eclipse ist, Cooper. Stör ich bei irgendwas?«
Fiona lächelte. »Na ja, ich wollte gerade Amok laufen. Dabei hast du gestört.«
Mark lachte.
Er hob den Kopf und stieß ihn sich an der Oberkante des Türrahmens. »Autsch. Verdammt.« Mark war wirklich total
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