Die Finsteren
Vorher war sie hübsch, aber prüde gewesen. Jetzt hingegen gebärdete sie sich völlig anders. Sie ging ungezwungener mit ihrem Körper um, bewegte sich anders. Ein Beispiel dafür war die überhebliche Pose, die sie gerade einnahm, die Hüfte ausgestellt, das spitze Kinn vorgereckt, die große Pistole enorm selbstsicher in der zierlichen Hand. Carrie war nicht länger süß. Nein, nicht ansatzweise der richtige Begriff, um eine solche Frau zu beschreiben. Sie sah heiß aus. Fast buchstäblich, als könne er sich die Finger verbrennen, wenn er sie anfasste.
Sie spannte den Hahn des Revolvers. »Letzte Chance. Du solltest es wirklich sagen.«
Dem Mann stockte kurz der Atem. »Ich liebe Jesus Christus, unseren Herrn und Erlöser ...«
Der Hahn sauste herab. Greg zuckte bei dem Schuss zusammen und rechnete damit, Gehirnmasse und Blut aus dem Schädel des Mannes spritzen zu sehen. Stattdessen lebte er noch und weinte, heulte lauter denn je. Carrie hatte den Lauf vor dem Abdrücken geringfügig zur Seite bewegt. Die Kugel war harmlos Zentimeter von seinem Kopf entfernt durch die Luft geschwirrt, um in das Glasfenster der Mikrowelle einzuschlagen, die auf einem Rollwagen in der Ecke der Küche stand. Damit würde sich der Kollege nie wieder Big Macs aufwärmen.
Carrie lachte. »Du solltest dich mal hören. Verfickte Heulsuse. Ich hab dich nicht mal getroffen, du dämliches Würstchen. Noch nicht. Aber du stellst meine Geduld auf eine harte Probe, Fettsack. Ich glaube, du brauchst wieder den Hammer.«
Sie sah Greg an und zog eine Augenbraue hoch.
»Den Hammer, Baby.«
Greg seufzte.
Er hievte den Hammer in die Luft und näherte sich dem gefesselten Mann, der mit trübem, bettelndem Blick zu ihm aufschaute. »Bitte ... Ich flehe Sie an ...«
Greg ließ den Hammer gegen das bereits zermalmte Knie krachen.
Der Mann schrie auf.
Carrie schlug Greg mit der freien Hand gegen den Hinterkopf. »Hör auf, ihn zu streicheln, verdammt. Schlag ihn. Mach ihn verdammt noch mal kaputt. Hau zu, so fest du kannst.«
Sie versetzte ihm einen weiteren Schlag.
»Sofort!«
Greg tat es. Er ließ den Hammer erst einmal, dann noch einmal mit aller Kraft niedersausen, zertrümmerte das Knie, verwandelte es in etwas völlig Nutzloses. Der Mann heulte und wiegte sich in seinen Fesseln hin und her. Carrie stieß Greg beiseite und brachte den Dicken mit weiteren knappen Pistolenschlägen ins Gesicht zum Schweigen.
Sie lächelte. »Vorher hab ich bloß Spaß gemacht. Das ist jetzt wirklich deine letzte Chance.«
Damit drückte sie den Lauf gegen seine Stirn und zerrte seinen Kopf nach hinten.
»Sag es.«
Die Schultern des Mannes sackten herab. »I-ich ... liebe ... S-Satan ...«
Carries Haltung erschien mit einem Mal weniger starr. Das Lächeln in ihrem Gesicht wirkte milder als das irre Grinsen, das Greg seit dem Vortag so oft an ihr bemerkt hatte. In diese Miene konnte man fast eine Spur von Menschlichkeit interpretieren. »Na also. War das denn so schwer?«
Der Mann schniefte. »N-nein.«
Carrie packte ein Ohr und riss daran. Das Gesicht des Fetten zog sich gequält zusammen. »Du hat es doch ernst gemeint, oder? Du hast es nicht nur gesagt, um bei mir Pluspunkte zu sammeln, richtig? Sag mir, dass du Satan wirklich liebst. Ich will die Aufrichtigkeit deiner Liebe in den Worten mitschwingen hören. Schaffst du das?«
Der Mann hob den Kopf und nickte, wobei er leicht zusammenzuckte, weil sie immer noch sein Ohr festhielt. »J-ja. Ich liebe Satan wirklich.« Abermals schniefte er. »So sehr.«
Carrie ließ los und streichelte sein schweißnasses Haar. »Spitze. Das ist echt cool. Freut mich zu hören, dass du auf unsere Seite gewechselt bist. Hast du das Buch je gelesen?«
Der Mann runzelte die Stirn. »Was?«
Carrie nickte. » Sag, dass du Satan liebst . Ich habe es vor langer Zeit mal bei einem Garagenverkauf entdeckt. Hab’s nie gelesen, aber der Titel ... der ist mir im Gedächtnis geblieben. Ich hatte Albträume darüber. Diese verschissenen, miesen Träume, in denen mich böse Menschen gezwungen haben, es zu sagen. Das hier heute mit dir, dieses kleine Spielchen – das war verdammt erlösend .«
Ja, dachte Greg. Eindeutig immer schon verrückt gewesen. Aber sie hat es gut überspielt.
Nicht dass es ihn sonderlich juckte. Er mochte nicht so fanatisch wie Carrie bei der Sache sein, dennoch wirkte er bereitwillig an dieser Grausamkeit mit. Andras wollte es so. Der Dämon existierte nur, um Tod zu verbreiten und Leid zu
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