Die Finsteren
erfuhr, schaltete sie das Gerät aus. Die unerwünschte zusätzliche Aufmerksamkeit, die ihr zuteilwurde, wäre allein schon schlimm genug gewesen, aber erschwerend kam hinzu, dass sie sich ganz schrecklich fühlte – aufgedunsen und müde, fast, als hätte sie ihre Tage. Nur stimmte das eben nicht. In ihrer Tasche versteckte sie einen Schwangerschaftstest, den man selbst zu Hause durchführen konnte. Allerdings hatte sie bisher noch nicht den Mut aufgebracht, ihn zu benutzen. Sie fürchtete sich vor dem Ergebnis. Natasha wollte nicht schwanger sein. Das würde all ihre Pläne über den Haufen werfen. Sie war zu jung, noch nicht bereit dafür. Und sie wusste nicht einmal, wer der verfluchte Vater sein könnte. Wenn man sie nicht gerade mit Fragen über Mark bedrängte, konnte sie an nichts anderes denken. Als endlich die Glocke zum Unterrichtsende läutete, brummte ihr der Schädel. So schnell sie konnte, suchte sie das Weite.
Sie schaffte es in Rekordzeit nach Hause, indem sie die angegebenen Geschwindigkeitsbegrenzungen deutlich überschritt und entlang des gesamten Heimwegs mehreren anderen Verkehrsteilnehmern einen Mordsschrecken einjagte. Nachdem sie den PT Cruiser abgestellt hatte, stolperte sie aus dem Auto und übergab sich ins Gras neben der Einfahrt. Noch lange, nachdem sich ihr Magen leer anfühlte, würgte sie weiter. Ihr Körper verkrampfte sich schmerzhaft, während sie hemmungslos weinte.
Letztlich legte sich die Übelkeit und das Zittern ließ zum Glück langsam nach.
Es gelang ihr, sich aufzurichten.
Die Garage stand offen, deshalb betrat sie das Haus durch den Hintereingang. Nachdem sie die Tür geschlossen hatte, verharrte sie einen Moment lang reglos im kurzen Gang neben der Waschküche. Irgendetwas stimmte nicht. Im Haus herrschte Stille. Tagsüber ließ ihre Mutter immer entweder den Fernseher oder das Radio laufen. Eine intensive Beklommenheit setzte sich in ihr fest und eine Gänsehaut breitete sich auf ihren nackten Armen aus. Ihr Herz schlug schneller, ihre Kehle fühlte sich wie zugeschnürt an. Sie versuchte, sich einzureden, dass das albern war. Es gab keine handfeste Grundlage für dieses ... Unwohlsein. Nur die Stille. Diese untypische Stille. Aber vielleicht war sie nicht die Einzige, die Kopfschmerzen plagten. Ihre Mutter konnte sich irgendwo hingelegt haben.
Sie hätte es besser wissen müssen.
Unmittelbar nach dem Betreten der Küche verstärkte sich das Gefühl, dass etwas nicht stimmte. Immer noch war kein Laut zu hören, abgesehen vom Ticken der Standuhr im angrenzenden Wohnzimmer. Allerdings brauchte sie nur einen Moment lang angestrengt zu lauschen, um zu erkennen, dass das nicht wirklich stimmte. Sie vernahm sehr wohl ein anderes Geräusch. Es ertönte unterbrochen und sehr leise. Etwas daran wirkte ... hinterlistig. Ein verstohlener, um Heimlichkeit bemühter Laut. Ein sehr flaches und ... rhythmisches Ausatmen. Es war ein Geräusch, das sie kannte. Ein Rhythmus, den sie kannte. Jemand hatte irgendwo im Haus Sex und bemühte sich, leise dabei zu sein. Das Auto ihres Vaters stand nicht in der Garage, außerdem sollte er erst in einigen Stunden nach Hause kommen. Die Vorstellung, dass ihre Mutter es mit einem anderen Mann trieb, verblüffte und entsetzte Natasha. Soweit sie wusste, führten ihre Eltern eine glückliche Ehe. Was also sollte das?
Dann vernahm sie etwas, das sich wie ein Wimmern anhörte.
Etwas an der Klangfarbe bestätigte, dass es von ihrer Mutter stammte. Der Laut verstummte, als sei er abrupt abgewürgt worden. Eine Hand, die sich auf einen Mund gelegt hatte? Also bumste ihre Mutter wohl gar nicht hinter dem Rücken ihres Vaters mit einem anderen Kerl. Möglicherweise steckte sie in Schwierigkeiten. Die Hintertür war nicht abgeschlossen gewesen. Was an sich noch nichts bedeutete, denn sie wurde nur selten verriegelt. Daran dachten sie einfach nie. Schließlich lebten sie nicht in der Großstadt. In Ransom wurde nicht in Häuser eingebrochen. Leider konnte durch diesen Mangel an Vorsicht jeder x-beliebige Eindringling tagsüber ins Haus gelangen.
Ein Mörder beispielsweise.
Oder ein Vergewaltiger.
Durch ihren Geist blitzten Bilder aus jener Nacht im Keller.
Und noch Schlimmeres.
Natasha schnappte sich ein Tranchiermesser aus einer Schublade und legte ihre Handtasche auf der Arbeitsfläche ab. Dann begann sie mit einer langsamen, vorsichtigen Erkundung des Hauses. Mit zittriger Hand hielt sie die Klinge ausgestreckt, als sie sich dem Rahmen des
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