Die Finsteren
statt erst nach der Tat den Raum zu betreten. Er wurde Zeuge, wie ihm sein Vater zuzwinkerte, bevor er den Abzug drückte. Andere Male suchte ihn sein Vater als wandelnde Leiche heim, schlurfte wie ein Zombie aus einem Horrorfilm durch die Gegend, sabberte und stöhnte mit weggesprengtem Hinterkopf.
Ja.
In jenen Tagen hatte er nicht viel Schlaf abbekommen. Nachdem jedoch die schlimmsten Aspekte der Träume allmählich verblassten, war er zu einem ziemlich guten Schläfer geworden. Von seinem Vater hatte er genug Geld geerbt, um nicht arbeiten zu müssen. Ohne die Motivation, nach draußen zu gehen und Umgang mit der Welt zu pflegen, verfiel er automatisch in einen Lebensstil, der sich darum drehte, die meiste Zeit bewusstlos zu sein. Darüber hinaus ließ er sich von seinem eigenen Rhythmus leiten. Wie seine jungen Freunde blieb er nachts auf und schlief tagsüber.
Daher sein derzeitiges Dilemma.
Er war lange über seine übliche Zeit hinaus wach geblieben. Gegen acht Uhr morgens hatte er sich letztlich damit abgefunden, dass etwas schiefgegangen sein musste und die Kids nicht zu dem Treffen auftauchten. Er zwang sich, für den unwahrscheinlichen Fall aufzubleiben, dass sich einer oder mehrere von ihnen doch noch blicken ließen, um ihm zu erklären, was passiert war. Clayton hatte sich Kaffee gekocht, noch etwas länger gewartet und an dieser vagen Hoffnung festgehalten. Irgendwann rief er die Nummer an, die Mark ihm gegeben hatte, aber es hob niemand ab.
Schließlich gab er auf und ging zu Bett.
Kaum fünf Sekunden, nachdem er letztlich die Augen geschlossen hatte, klingelte das Telefon. Er war hastig an den Apparat gegangen.
Na, wer wohl?
Jetzt saßen sie einander am Tisch in der Küche gegenüber. Die Schilderung, was sich seit der letzten Nacht zugetragen hatte, sprudelte in einem explosiven Wortschwall, der ihn geradezu atemlos machte, aus Mark heraus. Der Junge wirkte nervös. Fortwährend zappelte er auf dem Stuhl, wand sich und schaukelte dermaßen, dass es Clayton regelrecht Kopfschmerzen bereitete, ihn dabei zu beobachten. Mark kam ihm mehr als sonst wie ein Kind vor. Verletzlich und verängstigt. In Anbetracht der Geschichte, die er erzählte, schien das durchaus verständlich zu sein.
Abrupt hörte Mark auf, hin und her zu rutschen. »Hast du Bier da?«
»Was ist das denn für eine dämliche Frage? Natürlich hab ich Bier da.«
Mark verlagerte das Gewicht und schlug die Beine übereinander. »Ich meine, kann ich eins haben?«
»Hältst du das für klug?«
»Nein. Ich will trotzdem eins.«
Clayton rieb sich die übernächtigten Augen, dann schwenkte eine Hand in Richtung des Kühlschranks. »Bedien dich.«
Schwerfällig erhob sich Mark von seinem Stuhl und hätte ihn dabei fast umgestoßen. Er öffnete den Kühlschrank und sah Clayton an. »Willst du auch?«
Clayton überlegte kurz, dann schüttelte er den Kopf. »Nein, ich fühl mich so schon wie ein Zombie. Ich muss richtig wach werden und einen klaren Kopf kriegen. Äh ... du siehst nicht zufällig irgendwo ’ne Coke rumliegen, oder?«
Mark hatte die Kühlschranktür noch offen. Stirnrunzelnd betrachtete er den Inhalt. »Doch, ganz hinten im untersten Fach ist eine Dose Coca Cola light.«
Clayton lachte.
»Was ist?«
»Nichts. Light ist in Ordnung.«
Mark kehrte mit den Getränken zurück und schob die Dose zu Clayton, als er sich wieder setzte. »Warum musst du wach werden?« Er entfernte mit dem Flaschenöffner vom Schlüsselanhänger den Kronkorken an seinem Heineken. »Du solltest dich ein wenig ausruhen, bevor wir uns wirklich ernsthaft mit diesem verfluchten Dämonenproblem befassen.«
»Kann ich nicht. Hab eine Menge zu erledigen. Vorbereitungen treffen und so was.«
Clayton riss die Dose auf, trank einen ausgiebigen Schluck und zuckte beim Geschmack des Softdrinks zusammen. Komisch. Er konnte sich nicht erinnern, in letzter Zeit Cola gekauft zu haben. Unmöglich abzuschätzen, wie alt das Ding sein mochte. Oh, Moment. Das Ablaufdatum. Er hob die Dose an und spähte auf den Aufdruck am Boden. »Junge, die liegt seit rund sechs Jahren in meinem Kühlschrank.«
Mark verzog das Gesicht. »Und du trinkst das Zeug gerade.«
Clayton leerte den Rest der Dose und zerdrückte sie in der Faust. Er rülpste. »’tschuldigung.« Er schleuderte sie in den hohen Abfalleimer, der in einer Ecke der Küche stand, und traf genau die Mitte. Mark kommentierte den Wurf mit einem anerkennenden Pfiff. Clayton zuckte mit den Schultern.
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