Die Finsteren
keine große Sache dar. Als sie fertig war, stellte sie das Postauto vor einem Wohnkomplex auf der anderen Seite von Ransom ab, rief Lydia an und bat darum, abgeholt zu werden.
Lydia kam nicht allein, als sie mit ihrem SUV eintraf.
Auf dem Beifahrersitz saß Tom Bell. Nur war dieser Mann nicht länger Tom. Lag da ein leichter Schwefelgeruch in der Luft oder bildete sie sich das nur ein?
Suzie stieg hinten ein und Lydia drehte sich auf dem Sitz herum und sah sie an. »Tut mir leid, dass es so lange gedauert hat. Hab ’nen Anruf von diesem Kerl bekommen. Äh ... anscheinend werden wir in den Nachrichten bald etwas von einem Massaker in einem Altenpflegeheim hören.«
Der Dämon, der in Toms Körper steckte, lachte leise. »Sie sind alle tot.«
Suzie nahm die Kappe ab und schüttelte ihr langes blondes Haar. »M-hm. Alle tot. Und konntest du abhauen, ohne gesehen zu werden?«
»Sie sind alle tot. Es gibt niemanden, der die Geschichte erzählen könnte. Das Gebäude wird von den Flammen eines infernalen Feuers verzehrt.«
Suzie kniff die Augen zusammen. »Wie war das?«
»Ich habe ein Höllenfeuer heraufbeschworen. Infernale Flammen, die sich nicht löschen lassen, bis das gesamte Gebäude und alles darin zu nutzloser Asche zerfallen sind. Es gibt keine Zeugen. Keine Bilder von Überwachungskameras. Nichts, um mich zu identifizieren.«
»Aha. Gut.«
Auf weitere Versuche der Frauen, ihn in eine Unterhaltung zu verwickeln, reagierte Flauros nicht. Die Fahrt zurück nach Wheaton Hills verlief in unbehaglichem Schweigen. Seltsam, angeblich sollte dieser Flauros Andras unterstellt sein, aber beide Frauen empfanden ihn als erheblich einschüchternder. Andras mochte ein skrupelloser Killer und schamloser Manipulator sein, doch er genoss es unübersehbar, mit den Menschen zu spielen, die er in sein Netz gelockt hatte. Suzie hatte das Gefühl, dass sein Handlanger nichts als Verachtung für sie kannte.
Wir sind für ihn wie Wanzen.
Dreckige, geistlose, kriechende, unbedeutende Kreaturen.
Die Erkenntnis ließ sie ein wenig wütend werden. Sie tröstete sich mit dem Gedanken, dass es eigentlich keine Rolle spielte. Andras war derjenige, der das Sagen hatte. Das allein zählte. Das und die Versprechen, die er abgegeben hatte.
Als ihr das durch den Kopf ging, lächelte Suzie und spürte, wie ein Teil der Anspannung von ihr abfiel.
Sie konnte es kaum erwarten, damit anzufangen, ihrem neuen Meister in der Hölle zu dienen. Aber natürlich gab es zuvor noch jede Menge Arbeit zu erledigen. »Arbeit« – Lydia hatte das Wort benutzt, um sich über die Konsequenzen der Ermordung des Postboten durch Ella zu beklagen. Suzie hingegen störte die Arbeit nicht. Es war finstere Arbeit. Und das machte sie zu guter Arbeit.
Andras hatte angekündigt, durch die Straßen von Wheaton Hills würden Ströme von Blut fließen.
Suzie hoffte, dass er recht behielt.
Etwas Schöneres konnte sie sich nicht vorstellen.
34
Früher am selben Tag ...
Clayton Campbell war ziemlich sicher, noch nie in seinem Leben so müde gewesen zu sein. Aber vielleicht fühlte es sich auch nur so an. In den ersten Monaten nach dem Selbstmord seines Vaters hatte es etliche schlaflose Nächte gegeben. Damals wollte er wegen der Albträume nicht schlafen, die ihn jedes Mal erwarteten, wenn er seiner Erschöpfung nachgab und in Besinnungslosigkeit versank. In den Träumen durchlebte er immer wieder aufs Neue den Moment, als er in das Arbeitszimmer seines Vaters ging und dessen Leiche entdeckte. Schlimm genug, es in der Realität zu ertragen. All das über Norman Campbells geliebte Sammlung von Baseball-Fanartikeln verspritzte Blut. Rotfleckige Knochensplitter und Gehirnmasse an gerahmten Bildern. Der grässlich schlaffe Ausdruck im Gesicht des alten Mannes, aus dessen Mund noch die Pistole hing. Dazu das Grauen, das damit einherging, nicht das Geringste dagegen unternehmen zu können.
Ja, all das war verdammt schrecklich gewesen. Er hatte eine komplizierte Beziehung zu seinem Vater gehabt, zugegebenermaßen vor allem deshalb, weil Clayton unfähig wirkte, sich auf sinnvolle Weise in die Gesellschaft einzufügen. Dennoch hatten sie einander geliebt, wie es Vater und Sohn nun mal taten. Der Vorfall hatte Clayton hart getroffen und seine Welt ins Wanken gebracht. Der schlimmste Schmerz, den er je ertragen hatte. Aber die Träume verzerrten diese ohnehin harte Realität und formten sie zu etwas noch Dunklerem und Bedrohlicherem. In ihnen sah er, wie es geschah,
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