Die Firma
sie adressierten Umschlag sieht Versuchen Sie, sich das vorzustellen, Mitch. Wenn Sie und Tarrance das nächste Mal die Absicht haben, Plastikschuhe zu kaufen, dann denken Sie an uns, Mitch. Weil wir Sie beobachten.«
»Wer weiß darüber Bescheid?« fragte Mitch.
»Nur ich und der Fotograf, und jetzt Sie. Niemand in der Firma weiß davon, und ich habe nicht vor, es jemandem zu erzählen. Aber wenn Sie wieder Mist bauen, dann werden sie wohl in der Mittagspause von Hand zu Hand gehen. Ich mache Nägel mit Köpfen, Mitch.«
Er saß auf dem Kofferraum und rieb sich die Schläfen.
DeVasher trat neben ihn. »Hören Sie mir gut zu, mein Sohn.
Sie sind ein sehr intelligenter junger Mann, und Sie sind auf dem besten Wege, das große Geld zu machen. Bauen Sie keinen Mist. Arbeiten Sie tüchtig, halten Sie sich an die Spielregeln, kaufen Sie neue Autos, größere Häuser, was immer Sie wollen. Genau wie alle anderen auch. Versuchen Sie nicht, den Helden zu spielen. Ich möchte von den Fotos keinen Gebrauch machen müssen.«
»Okay, okay.«
21
Siebzehn Tage und siebzehn Nächte lang verlief das aufgestörte Leben von Mitch und Abby McDeere ruhig und ohne Einmischung von Wayne Tarrance oder einem seiner Kollegen. Die Alltagsroutine kehrte zurück. Mitch arbeitete achtzehn Stunden am Tag, jeden Tag der Woche, und verließ das Büro nur, um heimzufahren. Seinen Lunch nahm er am Schreibtisch ein. Mit der Erledigung von Aufgaben außer Haus oder dem Wahrnehmen von Gerichtsterminen beauftragte Avery andere. Mitch hielt sich fast ausschließlich in seinem Büro auf, dieser viereinhalb mal viereinhalb Meter gr o ßen Zuflucht, in der er vor Tarrance sicher war. Wenn möglich, hielt er sich sogar den Fluren, der Toilette und dem Kaffeeraum fern.
Sie beobachteten ihn, da war er ganz sicher. Er wußte nicht genau, wer »sie« waren, aber es gab nicht den geringsten Zweifel daran, daß etliche Leute größtes Interesse an jedem seiner Schritte hatten. Also blieb er an seinem Schreibtisch, bei fast immer geschlossener Tür, arbeitete ununterbrochen und versuchte zu vergessen, daß das Gebäude einen fünften Stock hatte, und daß im fün f ten Stock ein widerwärtiger Kerl namens DeVasher residierte, der eine Kollektion von Fotos besaß, die ihn ruinieren konnte.
Mit jedem ereignislos verlaufenen Tag zog sich Mitch sogar noch tiefer in sein Asyl zurück, und in ihm wuchs die Hoffnung, daß die letzte Episode in dem koreanischen Schuhgeschäft Tarrance vielleicht einen Schrecken eingejagt oder daß man ihn vielleicht sogar gefeuert hatte. Vielleicht würde Voyles das ganze Unternehmen einfach vergessen, und Mitch konnte auf dem eingeschlag e nen Weg fortfahren, reich wer-, den, Partner werden und alles kaufen, was das Herz begehrte. Aber er wußte es besser.
Für Abby war das Haus ein Gefängnis, obwohl sie nach Belieben kommen und gehen konnte. Sie machte Überstunden in der Schule, verbrachte viel Zeit damit, in den Ladenstraßen herumzuwandern, und fuhr jeden Tag mindestens einmal zum Einkaufen. Sie musterte jedermann, insb e sondere Männer in dunklen Anzügen, die sie ansahen. Sie trug eine dunkle Sonnenbrille, damit sie ihre Augen nicht sehen konnten. Sie trug sie sogar, wenn es regnete. Wenn sie am späten Abend nach dem einsamen Abendessen auf ihn wartete, starrte sie die Wände an und kämpfte mit der Versuchung, das Haus zu durchsuchen. Die Telefone konnte man mit einer Lupe inspizieren. Sie sagte sich, daß die Drähte und Mikrofone nicht unsichtbar sein konnten. Mehr als einmal dachte sie daran, sich ein Buch über solche Anlagen zu kaufen, damit sie sie erkennen konnte. Aber Mitch sagte nein. Sie waren nun einmal im Haus, versicherte er ihr, und jeder Versuch, sie aufzuspüren, konnte ve r hängnisvoll sein.
Also bewegte sie sich stumm in ihrem eigenen Heim, fühlte sich vergewaltigt und wußte, daß es nicht lange so weitergehen konnte. Sie waren sich beide klar darüber, wie wichtig es war, einen normalen Eindruck zu machen, sich normal anzuhören.
Sie versuchten, sich ganz normal zu unterhalten, darüber, wie der Tag gewesen war, über das Büro und ihre Schüler, über das Wetter, über dieses und jenes. Aber die Unterhaltungen waren flach, oft gezwungen und angespannt Als Mitch noch studierte, hatten sie sich oft und leidenschaftlich g e liebt; jetzt kam es praktisch überhaupt nicht mehr vor. Jemand lauschte.
Mitternächtliche Spaziergänge um den Block wurden zur Gewohnheit. Jeden Abend, nach
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