Die Firma
verlassen.
Sie sprachen über Mitch. Er war irgendwo dort draußen, hatte Angst und lief um sein Leben. Wenn DeVasher ihn erwischte, war er tot, und sie würden ihn begraben wie Hodge und Kozinski. Aber wenn die Feds ihn erwischten, dann bekamen sie die Dokumente und damit die Firma, was sie drei natürlich einschloß.
Was war, so fragte sie sich, wenn niemand ihn erwischte?
Was, wenn er es schaffte und einfach von der Bildfläche verschwand? Was, wenn er und Abby irgendwo am Strand saßen, Rum tranken und ihr Geld zählten? Diese Vorstellung gefiel ihnen, und sie redeten eine Weile darüber.
Schließlich beschlossen sie, bis morgen abzuwarten. Wenn Mitch irgendwo niedergeschossen würde, würden sie in Memphis bleiben. Wenn er unauffindbar war, würden sie in Memphis bleiben. Wenn die Feds ihn schnappten, würden sie sich schleunigst aus dem Staub machen.
Lauf, Mitch, lauf!
Die Zimmer im Blue Tide Motel waren eng und schmutzig.
Der Teppich war zwanzig Jahre alt und stark abgetreten. In den Bettdecken waren Brandlöcher von Zigaretten. Aber Luxus war unwichtig.
Am Donnerstag, nach Einbruch der Dunkelheit, stand Ray mit einer Schere hinter Abby und schnipselte vorsichtig um ihre Ohren herum. Zwei Handtücher unter dem Stuhl waren mit ihrem dunklen Haar bedeckt. Sie beobachtete ihn in dem Spiegel neben dem uralten Farbfernseher und gab ihm Anweisungen. Es war ein jungenhafter Haarschnitt, bis oberhalb der Ohren, mit einem Pony. Er trat zurück und bewunderte sein Werk.
»Nicht schlecht«, sagte er.
Sie lächelte und wischte Haare von ihren Armen. »So, und jetzt muß ich es wohl färben«, sagte sie betrübt. Sie ging in das winzige Badezimmer und machte die Tür hinter sich zu.
Eine Stunde später kam sie wieder heraus, als Blondine. Es war ein gelbliches Blond. Ray lag schlafend auf der Bettdecke.
Sie kniete sich auf den schmutzigen Teppich und raffte das Haar zusammen.
Sie sammelte es vom Fußboden auf und stopfte es in eine Mülltüte aus Plastik. Die leere Flasche des Haarfärbemittels und der Applikator wanderten zu dem Haar in die Tüte, dann band sie sie zu. Jemand klopfte an die Tür.
Abby erstarrte und lauschte. Die Vorhänge waren zugezogen. Sie versetzte Ray einen Schlag auf die Füße. Es wurde wieder angeklopft. Ray sprang vom Bett und griff nach der Waffe.
»Wer ist da?« flüsterte sie laut.
»Sam Fortune«, flüsterte es zurück.
Ray schloß die Tür auf, und Mitch kam herein. Er umarmte zuerst Abby und dann Ray. Die Tür wurde wieder abgeschlossen und das Licht gelöscht, und dann saßen sie im Dunkeln auf dem Bett. Er hielt Abby fest in den Armen. Weil es so viel zu sagen gab, sagten alle drei nichts.
Ein winziger, schwacher Lichtstrahl von draußen drang unter den Vorhängen durch und erhellte, während die Minuten vergingen, allmählich die Kommode und den Fernseher.
Niemand sprach. Im Blue Tide waren keinerlei Geräusche zu hören. Der Parkplatz war praktisch leer.
»Ich kann beinahe erklären, weshalb ich hier bin«, sagte Ray schließlich, »aber weshalb du hier bist, weiß ich nicht.«
»Wir müssen versuchen, zu vergessen, weshalb wir hier sind«, sagte Mitch, »und uns darauf konzentrieren, wie wir von hier wegkommen. Alle zusammen. Alle lebendig.«
»Abby hat mir alles erzählt«, sagte Ray.
»Ich weiß nicht alles«, sagte sie. »Ich weiß nicht, weshalb sie hinter uns her sind.«
»Ich nehme an, sie sind alle irgendwo da draußen«, sagte Mitch. »DeVasher und seine Gangster sind nicht weit weg. In Pensacola, nehme ich an. Da ist der nächste größere Flughafen. Tarrance ist irgendwo an der Küste und dirigiert seine Leute bei der Suche nach dem Vergewaltiger Ray McDeere. Und seiner Komplizin Abby McDeere.«
»Und was passiert als nächstes?« fragte Abby.
»Sie werden den Wagen finden, wenn sie ihn nicht schon entdeckt haben. Dann wird sich alles auf Panama City Beach konzentrieren. In der Zeitung stand, daß die Suche von Mobile aus bis nach Miami ausgeweitet wurde, sie sind also überall.
Sobald sie den Wagen gefunden haben, werden sie hier auftauchen. Aber am Strip gibt es tausend Motels wie dieses hier. Auf einer Strecke von zwölf Meilen nichts als Motels, Apartmenthäuser und T-Shirt-Läden. Das sind eine Menge Leute, eine Menge Touristen mit Shorts und Sandalen, und morgen werden auch wir Touristen sein mit Shorts und Sandalen und allem, was dazugehört. Ich nehme an, wir haben zwei oder drei Tage, selbst wenn sie hundert Leute auf uns ansetzen.«
»Und
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