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Die Flamme erlischt

Die Flamme erlischt

Titel: Die Flamme erlischt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R. R. Martin
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machen, keineswegs. Ihnen jedoch, Dirk, Ihnen fehlt ein solcher Grund. Oder sehe ich das falsch?«
    »Mag sein. Aber zum Teufel, Ruark, er macht es richtig. Sie hätten dort oben auch nicht besser ausgesehen, wenn er Ihnen erzählt hätte, wie die Braiths Sie zur Strecke gebracht hätten, wenn sein Schutz nicht dazwischenstünde.«
    »Stimmt. Bei diesem Gedanken fühle ich mich auch nicht wohl. Es ändert aber nichts. Von mir aus bin ich eben korariel. Die Braiths mögen auch viel schlimmer als die Eisenjades sein, und Jaan gebraucht vielleicht Gewalt, um schlimmere Gewalttaten zu verhindern. Ist das richtig? Woher soll ich das wissen? Hart, aber moralisch einwandfrei, meinetwegen. Möglicherweise dienen Jaans Duelle einem bestimmten Zweck, hm, vielleicht nützen sie seinem Volk, vielleicht nützen sie uns. Aber Ihr Duell ist völlig verrückt, nützt keinem, bringt Sie nur ins Grab. Und Gwen bleibt für immer bei Jaan und Garse, bis sie vielleicht ein Duell verlieren, was für das Mädchen dann alles andere als angenehm ist.« Ruark legte eine Pause ein und leerte sein Weinglas. Dann schwang er sich herum, um sich nachzuschenken. Dirk saß ganz still und fühlte Gwens Augen auf sich ruhen, spürte ihren geduldigen Blick, der schwer auf ihm lastete. In seinem Schädel pochte es. Ruark brachte alles durcheinander, dachte er wieder. Er mußte sich für den richtigen Weg entscheiden. Aber welcher Weg war der richtige? Plötzlich waren all seine Einsichten und Entschlüsse wie fortgeblasen. Schwer hing die Stille über dem Arbeitsraum.
    »Ich laufe nicht davon«, sagte Dirk endlich. »Auf keinen Fall. Aber ich werde mich auch nicht duellieren. Ich gehe zu ihnen und teile ihnen mit, daß ich mich weigere zu kämpfen.«
    Der Kimdissi vollführte mit seinem Glas kreisförmige Bewegungen und kicherte. »Na ja, das zeugt von erheblichem moralischem Mut. Durchaus. Jesus Christus, Sokrates und Erika Stormjones. Und jetzt Dirk t'Larien. Große Märtyrer der Geschichte, nicht? Vielleicht schreibt der Rotstahlpoet ein Gedicht über Sie.«
    Gwen gab eine ernstzunehmendere Antwort. »Das sind Braiths, Dirk, hochleibeigene Braiths der alten Schule. Auf Hoch Kavalaan hätte man dich niemals zum Duell gefordert. Der Rat der Hochleibeigenen hat entschieden, daß Außenweltler dem Kodex nicht unterworfen sind. Aber hier ist es anders. Der Schiedsrichter wird deine Andersartigkeit nicht anerkennen, und Bretan Braith und seine Festhaltbrüder werden dich töten oder jagen. Wenn du nicht zum Duell antrittst, hast du dich in ihren Augen als Spottmensch erwiesen.« »Ich kann nicht davonlaufen«, wiederholte Dirk. Seine Argumente hatten sich plötzlich in Luft aufgelöst, nur Gefühle blieben noch, eine Bestimmung, dem Morgengrauen entgegenzutreten und es durchzustehen.
    »Damit werfen Sie den letzten Rest Rationalität über Bord, ja, so muß man es nennen. Es hat mit Feigheit nichts zu tun, Dirk, sondern ist die tapferste aller Wahlen, wenn Sie so wollen. Durch Ihre Flucht ziehen Sie sich ihren Zorn zu. Auch dann müssen Sie der Gefahr ins Auge sehen. Wahrscheinlich werden Sie von Bretan Braith – falls er überlebt – und den anderen gejagt werden. Aber Sie leben und können ihnen vielleicht aus dem Wege gehen. Und Sie können Gwen helfen.« »Ich kann nicht«, sagte Dirk. »Ich habe es Jaan und Garse versprochen.«
    »Versprochen? Was denn? Daß Sie sterben werden?« »Nein, das heißt ja. Ich meine, Jaan nahm mir das Versprechen ab, Janaceks Bruder zu sein. Die beiden hätten kein Duell am Halse, wenn Vikary nicht versucht hätte, mich aus dem Schlamassel herauszuholen.«
    »Nachdem dich Garse hineingeritten hat«, sagte Gwen bitter, und Dirk fiel das Gift auf, das sich plötzlich in ihre sanften Töne geschlichen hatte.
    »Auch sie können morgen sterben«, sagte Dirk unsicher, »und ich bin dafür verantwortlich. Und ihr sagt mir, ich solle sie im Stich lassen!« Gwen trat ganz nahe an ihn heran, streichelte ihm leicht über die Wangen und strich ihm das graubraune Haar aus der Stirn. Ihre grünen Augen versanken in den seinen. Auf einmal erinnerte er sich an andere Versprechen: das Flüsterjuwel, das Flüsterjuwel. Und lang vergangene Zeiten zogen wieder vorbei, die Welt drehte sich, und alles begann miteinander zu verschmelzen, ineinanderzufließen. »Dirk, hör mir einmal zu«, sagte Gwen leise. »Ich war der Grund dafür, daß Jaan in insgesamt sechs Duelle verwickelt wurde. Garse, der mich nicht einmal liebt, nahm an vieren

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