Die Flamme von Pharos
erfährt.«
»Oder fortsetzt, was wir begonnen haben«, fügte Mortimer Laydon leise hinzu.
»So ist es.« Gardiner nickte. »Aus diesem Grund habe ich den Codicubus für dich hinterlegt, Sarah. Ich wollte, dass du ihn hütest für den Fall, dass ich nicht zurückkehre, und dass du auf eigene Faust herausfindest, was mir verwehrt blieb.«
»D-das wusste ich nicht«, antwortete Sarah verwundert. »Warum hast du mir nichts davon gesagt? Du hättest mir einen Brief schreiben und mir wenigstens einen Hinweis geben können.«
»Das hätte ich gerne getan, aber Charon war mir auf den Fersen, sodass ich Paris rasch verlassen musste.«
»Das meine ich nicht. Du hast diese Expedition von langer Hand vorbereitet. In England wäre Zeit genug gewesen, mir davon zu berichten, aber das hast du nicht getan.«
»Nein.«
»Warum nicht?«
Im Halbdunkel der Kerkerzelle sandte Sarahs Vater seiner Tochter einen durchdringenden Blick. »Du würdest diese Frage nicht stellen, wenn du mir vertrauen würdest.«
»Ich habe dir vertraut, Vater. Aber in den letzten Wochen bin ich immer wieder auf einen Mann gestoßen, den ich nicht kannte. Da ist so vieles, von dem ich nichts wusste. Warum, Vater? Warum hast du mir nie etwas von diesen Dingen erzählt?«
»Ich hatte meine Gründe.«
»Davon bin ich überzeugt.« Sarah nickte. »Aus einem Anlass, den ich nicht kenne, hast du mir dein Vertrauen entzogen. Es hat eine Zeit gegeben, da hast du mich in alles eingeweiht und hättest keine Unternehmung begonnen, ohne mich daran teilhaben zu lassen.«
»Das ist wahr«, stimmte Gardiner zu. »Aber diese Zeiten sind unwiderruflich zu Ende.«
»Warum, Vater? Warum habe ich dein Vertrauen verloren?«
»Es ist keine Frage des Vertrauens, Sarah. Ich hatte eine Entscheidung zu treffen, und ich habe sie getroffen – ohne dich. Es mag nicht einfach für dich sein, das zu verstehen, aber so ist es nun einmal gewesen.«
»Aber ich hätte dir vielleicht helfen können.«
»So, wie du mir mit dem Codicubus geholfen hast?«
Sarah zuckte wie unter einem Peitschenhieb zusammen. In den letzten Tagen und Wochen hatte sie unablässig an ihren Vater gedacht, hatte um sein Leben gebangt und sich ausgemalt, wie es sein würde, ihm nach all der Zeit wieder zu begegnen, ihn endlich wieder in die Arme zu schließen. Aber ganz sicher hatte sie nicht angenommen, dass ihr Treffen sich so gestalten würde …
»Du hattest recht mit deiner Vermutung, Sarah«, fügte der alte Gardiner leise und mit rauer Stimme hinzu. »Es ging bei dieser Sache tatsächlich um sehr viel mehr, als du dir vorstellen kannst.«
Nun war es Sarah, die betreten zu Boden blickte, sich durchschaut und gescholten vorkam wie ein Kind, das bei einer Missetat ertappt worden war. Der Vorwurf ihres Vaters schmerzte sie, und sie überlegte sich ihre Antwort gut, wählte jedes einzelne Wort mit Bedacht.
»Verzeih, Vater«, sagte sie schließlich. »Ich weiß, ich habe dich enttäuscht. Ich habe deine Erwartungen betrogen und gegen deinen Willen gehandelt. Ich hätte den Codicubus bewahren sollen, statt sein Geheimnis ergründen zu wollen, und ich hätte auf dein Wort vertrauen sollen, statt zu versuchen, dich zu retten. All diese Fehler habe ich begangen, und zu meiner Verteidigung kann ich nur die eine Entschuldigung hervorbringen, dass ich dich von Herzen liebe und dass der Gedanke, dich zu verlieren, mir unerträglich war.«
»Meine Tochter.« Lord Kincaids Züge entkrampften sich, wurden weich und milde. »Es ist gut. Gräme dich nicht länger. Was geschehen ist, ist geschehen, wir können nicht …«
»Aber«, fuhr Sarah unbeirrt fort, »ich bin nicht die Einzige, die Fehler begangen hat.«
»Was?«
»Du magst es drehen und wenden, wie du willst, Vater – es war falsch, mich nicht in deine Pläne einzuweihen und mich dennoch zu einem Teil davon zu machen. Denn wie du siehst, bin ich hier, egal, ob du meiner Hilfe bedurftest oder nicht. Du hättest wissen müssen, dass ich so reagieren und mich auf die Suche nach dir begeben würde, denn ich bin deine Tochter, die du nach deinen Maßstäben erzogen hast. Und hier bin ich nun, Vater, und verlange Antworten.«
»Du verlangst … was?«
»Maurice du Gard ist mir bedingungslos und ungeachtet aller Gefahren gefolgt, Ali Bey hat sich gegen sein eigenes Volk gewandt, um mir zu helfen. Und sogar Dr. Hingis hat seinen Schreibtisch verlassen und Entbehrungen auf sich genommen, um dich zu finden.«
»Aus völlig selbstlosen Beweggründen, da bin
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