Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Flamme von Pharos

Die Flamme von Pharos

Titel: Die Flamme von Pharos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
Vom Netzwerk:
Gardiner entsetzt. »Nicht meine Tochter …«
    Aber es war zu spät.
    Schon wurde Sarah ergriffen. »Vater!«, rief sie außer sich.
    »Sarah!«
    Ihre Hände hielten einander fest, und für einen Augenblick trafen sich ihre Blicke – ein Augenblick, der nur einen Lidschlag währte und in dem sie einander dennoch alles verziehen.
    »Es tut mir leid, mein Kind.«
    »Mir auch, Vater«, konnte Sarah gerade noch erwidern – dann wurde sie von seiner Seite gerissen. Ihre Hand entrang sich Gardiners schwieliger Pranke, und sie wurde mit roher Gewalt davongeschleppt. Zwar wehrte sie sich nach Kräften und trommelte mit geballten Fäusten auf ihre beiden Häscher ein – die Soldaten jedoch lachten nur darüber. Unaufhaltsam ging es zum Ausgang, als plötzlich eine Stimme wie ein Messer durch die klamme Luft schnitt.
    »Un moment, s’il vousplaît.«
    »Was?« Der Lieutenant blieb stehen und wandte sich um.
    Du Gard hatte sich erhoben und kam gemessenen Schrittes auf den Offizier zu. Am Ausdruck seiner Augen konnte Sarah erkennen, was er vorhatte, noch ehe er es aussprach.
    »Nein, Maurice«, rief sie deshalb – du Gard kümmerte sich nicht darum.
    »Nehmen Sie mich«, bat er schlicht.
    »Was sagt er?«, blaffte der Lieutenant, der bislang nur Arabisch gesprochen hatte und kein Englisch zu verstehen schien. »Ich kann nicht hören, was der Hund sagt.«
    »Er sagt, dass sie ihn anstelle der jungen Frau nehmen sollen«, übersetzte Gardiner Kincaid.
    »Nein«, erhob Sarah erneut Einspruch, aber niemand kümmerte sich darum. Mit einem genüsslichen Grinsen trat der Lieutenant auf du Gard zu.
    »Hast du es mit dem Sterben denn so eilig, Franzose?«, erkundigte er sich. »Dein Tod wird die Verräterin nicht retten – er wird nur ihre Furcht verlängern.«
    »Was sagt er?«, wollte du Gard wissen, und Gardiner übersetzte erneut. »Schön und gut«, erwiderte er dann. »Dennoch sollte eine Frau nicht die Erste sein, die von uns stirbt. Meine Ehre als Gentleman verbietet dies.«
    Der Lieutenant wartete die Übersetzung ab, dann brach er in derbes Gelächter aus. »Von mir aus«, meinte er. »Du sollst die Gelegenheit bekommen, wie ein Gentleman zu sterben – auch wenn du in meinen Augen nicht mehr wert bist als ein räudiger Hund. Lasst das Weib gehen, und schnappt euch den Franzosen.«
    Seine Leute stießen Sarah von sich und ergriffen du Gard, der keine Anstalten machte, sich zu wehren. Scheinbar willenlos fügte er sich in sein Schicksal und ließ sich von den Soldaten abführen – der Blick, mit dem er Sarah dabei streifte, war unmöglich zu deuten.
    »Nein, Maurice!«, rief sie, während Tränen der Verzweiflung in ihre Augen schossen. »Tu das nicht …«
    Aber du Gard wandte sich nicht mehr um.
    Gefasst folgte er dem jungen Offizier und seinen Leuten zum Ausgang der Kerkerzelle, wo die übrigen Soldaten des Erschießungskommandos warteten. Geräuschvoll fiel die Gittertür ins Schloss, und die stampfenden Schritte entfernten sich wieder.
    Zurück blieb unheimliche Stille.
    Und drückende Dunkelheit.
    Der Gleichschritt der Soldaten hallte in Maurice du Gards Bewusstsein wieder. Wie in Trance nahm er wahr, wie er durch einen langen Stollen und eine sich eng windende Treppe hinaufgeführt wurde, die in einen quadratischen Hof mündete.
    Es war Nacht.
    Ein sternklarer Flecken Himmel war über dem Viereck fensterloser Mauern zu erkennen; von fern erklang das Donnern der Brandung, die sich an den Fundamenten des Forts brach.
    Während zwei Soldaten Aufstellung nahmen, führten die beiden anderen du Gard vor eine Wand, in der bereits zahllose Einschusslöcher klafften und darauf schließen ließen, dass er keineswegs der Erste war, den auf diesem Hof ein grausames Schicksal ereilte.
    Der Lieutenant fragte ihn etwas, aber natürlich verstand du Gard kein Wort. Als Antwort begnügte er sich damit, freudlos zu grinsen, was dem Ägypter zu gefallen schien. Erneut erteilte er seinen Leuten eine knappe Anweisung, woraufhin einer der Männer ein schwarzes Tuch hervorzog, das er du Gard um die Augen binden wollte.
    »Non!«, verlangte der Franzose daraufhin energisch. »Ich will meinen Henkern zumindest in die Augen sehen dürfen.«
    Der Blick, den der junge Offizier ihm sandte, war schwer zu deuten. Feindseligkeit lag darin, aber auch eine Spur von Respekt, vielleicht sogar von Bewunderung. Mit einer unwirschen Handbewegung verscheuchte er die beiden Wachen, die daraufhin ihre Gewehre von den Schultern nahmen und sich zu ihren

Weitere Kostenlose Bücher