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Die Flamme von Pharos

Die Flamme von Pharos

Titel: Die Flamme von Pharos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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den Inhalt als auch das Geheimnis des mysteriösen Artefakts genau kannte.
    »Bist du dabei gewesen?«, erkundigte er sich. »Hast du es mit eigenen Augen gesehen?«
    »Ja, Vater.«
    »Wer war es?«, wollte der Alte wissen. »Wer hat diesen Frevel an der Vergangenheit begangen?«
    »Ich nehme an, du kennst ihn«, konterte Sarah kühl. »Wahrscheinlich gehört er zu deinen vielen Bekannten, denen ich in den letzten Wochen begegnet bin, ohne je zuvor von ihnen gehört zu haben.«
    »War er hochgewachsen?«, erkundigte sich ihr Vater – ob ihm Sarahs Sarkasmus entging oder ob er ihn geflissentlich ignorierte, war nicht eindeutig festzustellen. »Von geradezu hünenhafter Größe? Sprach er mit fremdem Akzent? Und trug er einen schwarzen Umhang, unter dessen Kapuze er sein Gesicht verbarg?«
    »Ja«, bestätigte Sarah.
    »Du bist Charon begegnet«, flüsterte der alte Gardiner so tonlos, dass Sarah ein eisiger Schauer über den Rücken lief. Und zum ersten Mal in ihrem Leben entdeckte sie in den Augen ihres Vaters das, was zwar andere dort schon gesehen haben wollten, sie selbst sich jedoch nie hatte vorstellen können: blanke Furcht …
    »Wer ist dieser Kerl?«, erkundigte sie sich.
    »Der griechischen Sage nach war Charon der Fährmann der Unterwelt, dessen Aufgabe darin bestand, die Toten über den Fluss Styx zu setzen«, erklärte Friedrich Hingis.
    »Das weiß ich auch«, erwiderte Sarah barsch. »Ich will wissen, was es mit diesem Hünen auf sich hat. Er wird ja wohl nicht der griechischen Unterwelt entstiegen sein.«
    »Das wohl nicht, aber er trägt den Namen nicht von ungefähr«, erklärte Gardiner, der sich von seinem Schrecken noch nicht ganz erholt zu haben schien. »Hast du sein Gesicht gesehen?«
    Sarah zögerte einen Moment mit der Antwort.
    »Nein«, sagte sie dann, worauf die Züge ihres Vaters sich wieder ein wenig zu entspannen schienen. »Wieso?«, fragte sie. »Was hat das zu bedeuten?«
    »Dass noch nicht alles verloren ist«, erwiderte Gardiner rätselhaft. »Dass es noch Hoffnung gibt, obwohl du dich sinnlos in Gefahr begeben hast.«
    »Sinnlos?« Sarah hob die Brauen. »Ich wollte dich retten, Vater. Wie kann das sinnlos sein?«
    »Hast du es denn noch nicht verstanden, Kind? Es geht hier nicht um mich, sondern einzig und allein um dich. Deine Aufgabe war es, den Codicubus zu bewachen, nicht mehr und nicht weniger, aber du hast dich meiner Bitte widersetzt, und wie ich feststellen musste, warst du dabei keineswegs allein.« Das galt du Gard, der denn auch wie ein gescholtener Schuljunge das Haupt senkte. »Was haben Sie sich dabei gedacht, Maurice? Ich dachte, ich könnte mich auf Sie verlassen – stattdessen muss ich nun feststellen, dass Sie mit meiner Tochter gemeinsame Sache gemacht und gegen meinen ausdrücklichen Willen gehandelt haben.«
    »Je m’excuse, Monsieur«, drang es leise aus der Dunkelheit. »Es tut mir leid …«
    »Es tut dir nicht leid«, widersprach Sarah entschieden, »und mir auch nicht. Wir haben getan, wozu unser Gewissen uns geraten hat, das kann kein Fehler sein.«
    »Euer Gewissen?« Gardiners Augen blitzten in der Schwärze. »Oder war es vielmehr eure Eitelkeit?«
    »Was ist falsch daran?«, fauchte Sarah. »Du hast es vorgezogen, dich heimlich aus dem Staub zu machen, ohne auch nur ein Wort über dein Vorhaben oder die Natur deiner Forschungen zu verlieren. Du wolltest, dass ich gehorche, dass ich deinen Anweisungen folge, ohne Fragen zu stellen – aber so hast du mich nicht erzogen, Vater.«
    »Vor allen Dingen habe ich dich zur Loyalität erzogen, Tochter. Das hast du wohl vergessen?«
    »Was hast du denn erwartet? Dass ich dich einfach sterben lassen würde? Ich erkenne dich nicht mehr wieder …«
    »Dann erkenne dich selbst, Sarah«, erwiderte Kincaid streng. »Deines Leichtsinns und deiner Eitelkeit wegen ist ein Artefakt von unschätzbarem Wert verloren gegangen. Ist dir nicht klar, was der Codicubus bedeutet hat? Er enthielt den letzten noch existierenden Hinweis darauf, dass die Bibliothek von Alexandria noch immer existiert, dass sie die Jahrhunderte überstanden hat, unbeachtet von den Menschen. Nachdem der Codicubus vernichtet wurde, sind wir, die wir hier versammelt sind, die letzten Zeugen seines Inhalts, aber unsere Mission, die verschollene Bibliothek zu finden und ihr gesammeltes Wissen der Menschheit zurückzugeben, ist kläglich gescheitert. Damit ist jede Chance genommen, dass die Nachwelt etwas von unseren Plänen und unserem Handeln

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