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Die Flamme von Pharos

Die Flamme von Pharos

Titel: Die Flamme von Pharos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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jetzt fiel ihnen auf, dass der Beschuss an der Oberfläche ausgesetzt hatte; just in dem Moment jedoch, in dem Gardiner Kincaid und seine Leute sich anschickten, ihre Reise durch das unterirdische Alexandria fortzusetzen, setzte das Bombardement wieder ein. Schrilles Pfeifen war zu hören, gefolgt von schweren Detonationen, die die Erde bis in die Tiefen erbeben ließen.
    »Verlassen wir diesen Ort«, schlug Sarah vor und warf einen letzten schaudernden Blick auf das Wasser, das Ali Bey zum Verhängnis geworden war.
    Sie übernahm die Führung der kleinen Gruppe, während ihr Vater diesmal die Nachhut bildete. Hingis blieb in seiner Nähe, als verspürte er den Drang, etwas wiedergutzumachen; in der Mitte marschierten Mortimer Laydon und du Gard, der für seine Verhältnisse erstaunlich still geworden war.
    Sarah wandte sich zu ihm um. »Was hast du?«
    »Je ne sais pas.« Er schüttelte den Kopf. »Dieser Ort gefällt mir nicht. Ich glaube, es war ein Fehler, hierherzukommen.«
    »Niemand konnte wissen, dass das mit den Haien geschehen würde.«
    »Ich spreche nicht von den Haien, chérie. Ich spreche von etwas, das diesen Ort umgibt. Von einer Aura der Kälte und des Bösen. Niemand von euch kann sie fühlen, dennoch ist sie real …«
    Sarah schwieg. Weder fragte sie, was du Gard auf solch düstere Gedanken brachte, noch wollte sie wissen, was seiner Ansicht nach zu tun wäre. Energisch verschloss sie sich allen Fragen – was nichts daran änderte, dass sie tief in ihrem Inneren ähnlich empfand.
    Anfangs hatte sie es auf ihre Furcht geschoben, auf den Donner der Granaten, der sie allgegenwärtig begleitete und sie immerzu an die Gefahr erinnerte, die wie das Schwert des Damokles über ihnen schwebte. Dann hatte sie geglaubt, dass es an den Schuldgefühlen lag, die sie Ali Beys Tod wegen empfand. Als du Gard jedoch so offen aussprach, was ihn bewegte, kam Sarah nicht umhin sich einzugestehen, dass auch sie jene Kälte fühlte …
    Umzukehren kam nicht in Frage; selbst wenn sie es gewollt hätten, stellten die Haie ein Hindernis dar, mit dem keiner von ihnen es noch einmal aufnehmen wollte. Alles, was sie tun konnten, war weiterzugehen und dabei wachsam zu sein. Noch einmal wollte Sarah nicht von einer solch grausigen Überraschung ereilt werden …
    Der Gang endete vor Stufen, die steil hinaufführten. Die Lichtverhältnisse verbesserten sich, und von einem Augenblick zum anderen fanden Sarah und ihre Gefährten sich tatsächlich inmitten der Zisternen wieder, von denen viele so alt waren wie die Stadt selbst. Die meisten der geräumigen Gewölbe wurden nicht mehr genutzt und waren längst ausgetrocknet, aber hier und dort floss noch Wasser in den Kanälen, das vom westlichen Nilarm hergeleitet wurde.
    »Anders als antike Metropolen wie Rom oder Athen ist Alexandria nicht im Lauf einer langen Entwicklung entstanden«, erklärte Gardiner Kincaid dazu, dessen Begeisterung wieder Oberhand gewonnen zu haben schien – wenn auch er etwas Ähnliches fühlte wie Sarah oder du Gard, so ließ er nichts davon erkennen. »Wie es heißt, entwarf der Architekt Deinokrates die Stadt gemäß den persönlichen Vorstellungen Alexanders. Es wurde die erste Siedlung der Alten Welt, die die Bezeichnung ›modern‹ verdiente, und war ihrer Zeit um Jahrzehnte, wenn nicht um Jahrhunderte voraus. Unter anderem wurde eine Kanalisation angelegt, die so mancher europäischen Stadt heutiger Tage gut zu Gesicht stehen würde, und es gab Zisternen und unterirdische Vorratslager, die das Überleben der Bevölkerung auch in schlechten Zeiten sichern sollten. All das ist wohlbekannt – aber niemals wäre ich auf den Gedanken gekommen, dass die Zisternen und der Friedhof der Götter zusammengehören könnten …«
    »Eine wahrhaft bedeutende Entdeckung«, stimmte Hingis zu. »Schon allein dafür wird man Ihren Namen in einem Atemzug mit Champollion und Schliemann nennen.«
    »Danke, mein Freund«, erwiderte der alte Gardiner in einem Anflug von Überheblichkeit, der Sarah fast erschreckte, »aber ich habe nicht vor, es dabei bewenden zu lassen …«
    Sie durchschritten mehrere Kammern mit gewölbten Decken, die durch schmale Kanäle miteinander verbunden waren und in denen das Wasser knietief stand. Erhellt wurden sie von fahlen, senkrecht einfallenden Lichtstrahlen, die jeweils wie eine Säule in der Mitte der Zisternen standen. Durch einen der von dicken Eisengittern verschlossenen Brunnenschächte riskierte Sarah einen Blick nach oben –

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