Die Flamme von Pharos
wenn sie jedoch geglaubt hatte, dort ein Stück blauen Himmels zu entdecken, so wurde sie bitter enttäuscht. Rauch und Staub verdunkelten die Sonne und schienen sich wie ein Leichentuch über die ganze Stadt gebreitet zu haben. Dazu glaubte Sarah, bitteren Brandgeruch zu schmecken. Wie groß das Ausmaß der Zerstörung war, ließ sich von hier unten aus unmöglich feststellen, aber Sarah nahm an, dass es beträchtlich sein musste. Dennoch dauerte der Beschuss noch immer an.
Jede Granate, die detonierte, ließ die Zisternen erbeben. Wellen breiteten sich über das Wasser aus, und Bruchstücke von Mörtel platzten von der Decke, aber noch widerstanden die Jahrtausende alten Gewölbe der zerstörerischen Gewalt. Nur wenn die Einschläge besonders nahe waren und den Boden unter ihren Füßen wanken ließen, schreckten Sarah und ihre Gefährten noch auf; ansonsten war ihnen der Krieg, der an der Oberfläche tobte, bereits zur schrecklichen Gewohnheit geworden. Unbeirrt setzten sie ihren Weg fort – bis sie erneut auf ein Hindernis stießen.
Eine steinerne Treppe führte aus dem Zisternenbecken in einen kurzen Korridor, der sich jedoch schon nach wenigen Yards in gähnende Tiefe stürzte: Ein Graben kreuzte den Gang, der drei oder vier Yards breit war und dessen Grund im Halbdunkel nicht zu erkennen war. Auf der anderen Seite des Grabens erhoben sich zwei mächtige Pylonen, die ein großes Tor umfassten. In jeden der Pfeiler war eine Inschrift in griechischer Schrift und Sprache gemeißelt.
»Das ist es«, flüsterte Gardiner Kincaid voller Ehrfurcht. »Der Eingang zum Grab des Königs …«
»›Ich bin Alexander‹«, übersetzte Friedrich Hingis mit bebender Stimme die Inschrift, »›König von göttlichem Geschlecht‹. Und auf der anderen Seite steht: ›Wer mich finden will, der überwinde mein Werk und die Phalanx meiner Krieger.‹«
»Was mag das bedeuten?«, fragte Mortimer Laydon.
»In jedem Fall ist es ein Beleg dafür, dass Vaters Vermutungen richtig gewesen sind«, sagte Sarah, »denn wenn ich mich recht entsinne, befinden sich ähnlich lautende Worte über dem Eingang des Ramses-Tempels in Theben.«
»Das stimmt, mein Kind.« Gardiners Lächeln war voller Vaterstolz. »Du hast deine Studien sorgfältig betrieben.«
»Wie ich schon sagte – ich hatte einen guten Lehrer«, gab sie das Kompliment zurück. »Recassins Schwester hatte also recht – Ozymandias scheint die Antwort tatsächlich zu kennen.«
»In der Tat – nur hilft uns diese Einsicht nicht auf die andere Seite.« Sich durch den silbrigen Bart streichend, schien der alte Gardiner angestrengt nachzudenken. Das Dröhnen der Bombeneinschläge schien er nicht einmal mehr wahrzunehmen. »Der Graben scheint dazu da zu sein, das Mausoleum vor Überflutung zu bewahren, falls die Zisternen überlaufen sollten. Aber natürlich ist er auch dazu geeignet, unerwünschte Besucher fernzuhalten.«
»Das scheint den Erbauern klar gewesen zu sein«, wandte Hingis ein. »Mit dem ›Werk‹, von dem in der Inschrift die Rede ist und das es zu überwinden gilt, kann nur der Graben gemeint sein.«
»Peut-être, aber was hat die Sache mit der Phalanx zu bedeuten?«, fragte du Gard.
»Die Phalanx war eine spezielle Schlachtordnung der Mazedonier«, erklärte Sarah. »Man nimmt an, dass sie einen guten Teil zu Alexanders Sieg über das Perserreich beigetragen hat, denn gegen den Pikenwall seiner Soldaten waren sowohl das persische Fußvolk als auch die gefürchtete Reiterei machtlos.«
»Chérie« – du Gard lächelte matt – »du wirst mir doch nicht weismachen wollen, dass sich dort drüben eine Armee versteckt hält, oder?«
»Das gerade nicht, aber die Worte müssen eine Bedeutung haben, und wir täten gut daran, sie zu entschlüsseln.«
»Vor allem«, meinte ihr Vater, »müssen wir nach einem Weg suchen, den Graben zu überwinden.«
»In meinem Gepäck hatte ich ein Seil«, erwiderte Sarah, »aber es wurde mir abgenommen, als wir gefangen wurden.«
»Oha«, bemerkte du Gard trocken. »Wie heißt es so schön? Das Gepäck einer Frau birgt manches Geheimnis.«
»Und der Mund eines Wahrsagers manch albernes Geschwätz«, konterte sie schlagfertig. Einem losen Stein, der nahe der Abbruchkante lag, versetzte sie einen Tritt, sodass er in die Tiefe fiel. Augenblicke lang war nichts zu hören, dann ein leises Platschen.
»Wasser«, stellte Mortimer Laydon fest. »Nicht schon wieder …«
»Der Graben scheint tatsächlich als Überlauf für die
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