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Die Flamme von Pharos

Die Flamme von Pharos

Titel: Die Flamme von Pharos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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Zisterne zu dienen«, überlegte Gardiner. »Die Tiefe dürfte zehn bis fünfzehn Yards betragen.«
    »Vorausgesetzt, der Wasserstand wäre ausreichend, würde man einen Sturz wohl überleben«, folgerte Sarah.
    »Das schon – aber angesichts der glatten Wände des Grabens hätte man ohne ein Seil wohl keine Hoffnung, jemals wieder herauszukommen.«
    »Dennoch muss es jemand wagen«, meinte Sarah überzeugt. »Seht ihr die Öffnungen auf beiden Seiten der Pylonen? Sie befinden sich ein Stück oberhalb der Inschriften …«
    »Was soll damit sein?«, erkundigte sich Hingis.
    »Ihrer Form und Größe nach zu urteilen, scheinen sie für einen bestimmten Zweck konstruiert zu sein.«
    »Ach so? Und was für ein Zweck könnte das sein?«
    »Nun«, überlegte Sarah weiter, »soweit es sich erkennen lässt, verlaufen die Öffnungen schräg nach oben. Gerade, als ob sie dazu konstruiert wären, etwas auszuschütten.«
    »Etwas auszu …? Aber was? Noch mehr Wasser?«
    Sarahs Blick und der des Schweizers trafen sich im Halbdunkel – und an dem verräterischen Blitzen in Friedrich Hingis’ Augen erkannte sie, dass er das Rätsel nicht nur im selben Moment gelöst hatte wie sie, sondern auch denselben Entschluss fasste.
    Da Sarah ganz vorn an der Kante stand, war Hingis im Vorteil. Er brauchte nicht erst Anlauf zu nehmen, sondern rannte einfach los. Die Zähne gefletscht und die Augen hinter den staubigen Brillengläsern weit aufgerissen, setzte der Schweizer auf den Graben zu.
    »Verdammt, Mann, was …?«, brüllte Gardiner Kincaid fassungslos – dann hatte Hingis auch schon die Kante erreicht und sprang, getrieben wohl nicht zu sehr von Heldenmut als vielmehr vom unbedingten Wunsch, der Erste zu sein. Von der Verstauchung an seinem Fußgelenk war nichts mehr zu bemerken.
    Noch in der Luft, buchstäblich zwischen Tod und Leben schwebend, brachte er Arme und Beine nach vorn und katapultierte seinen hageren Körper so über den klaffenden Abgrund. Atemlos verfolgten Sarah und die anderen, wie er der gegenüber liegenden Seite entgegenflog – und sie um Haaresbreite verfehlte.
    Die Spitzen seiner Stiefel berührten die Kante, glitten jedoch daran ab. Hart prallte Hingis gegen den Fels, und einen dramatischen Augenblick lang sah es so aus, als würde er abstürzen. In letzter Sekunde gelang es ihm jedoch, sich an den Fugen festzuklammern, die zwischen den steinernen Bodenplatten verliefen.
    »Hingis!«, rief Gardiner Kincaid streng hinüber. »Sind Sie verrückt geworden?«
    Der Schweizer ließ sich nicht beirren. Sich mit aller Kraft an sein Leben klammernd, gelang es ihm, sich emporzuziehen und ein Knie über die Kante zu bringen. Ächzend zog er sich vollends hinauf und wälzte sich auf sicheren Boden.
    »Was tun Sie da, Mann? Was soll das …?«
    »Ich glaube, ich weiß es«, sagte Sarah tonlos, während sie fassungslos zuschaute, wie Hingis sich auf die Beine raffte und sichtlich erschöpft, aber mit einem triumphierenden Grinsen im Gesicht, in das Dunkel entschwand, das jenseits des Tores herrschte.
    »Was weißt du?«
    »Diese Öffnungen«, Sarah deutete auf die Pylonen, »gehören zu einem Mechanismus, der in der Lage ist, den Graben zu überbrücken. Hingis hat das im selben Moment erkannt wie ich.«
    »Vraiment, c’est fantastique«, ereiferte sich du Gard, »und jetzt ist dieser impertinente kleine Bastard wahrscheinlich gerade dabei, diesen Mechanismus zu zerstören, um seine Konkurrenten möglichst hinter sich zu lassen, n’est-ce pas?«
    Für ihr Leben gern hätte Sarah widersprochen, aber du Gard hatte genau das ausgesprochen, was sie selbst vermutete. Hingis hatte die Gelegenheit genutzt, sich abzusetzen und selbst die Lorbeeren zu ernten, die ihrem Vater zukamen.
    »Nein!«, brüllte Gardiner Kincaid und ballte in hilflosem Zorn die Fäuste, denn ihm war klar, dass er aufgrund seines Alters und seines geschwächten Zustands nicht in der Lage sein würde, das todesmutige Kabinettstück des Schweizers nachzuahmen.
    Schon trat Sarah zurück, um ihrerseits Anlauf zu nehmen und auf die andere Seite zu springen – als sich ein durchdringendes Knacken vernehmen ließ.
    »Was war das?«, fragte Laydon.
    »Les grenades«, vermutete du Gard. »Das Gewölbe stürzt über uns zusammen!«
    »Das war kein Granateneinschlag«, meinte Sarah bestimmt … »Hört ihr nicht dieses Rauschen …?«
    Ihr Vater und die beiden anderen warfen ihr fragende Blicke zu. Plötzlich war es ganz deutlich zu hören – ein Geräusch wie

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