Die Flamme von Pharos
an dem gedrungene Fachwerkhäuser vorüberhuschten. »Ägyptische Geschichte ist immerhin eines von Gardiners Fachgebieten. Allerdings bringt uns diese Vermutung nicht weiter, denn es gibt unzählige Ausgrabungsprojekte, an denen britische Archäologen …« Sie hielt abrupt inne, wandte sich vom Fenster ab und schickte du Gard einen durchdringenden Blick.
»Was haben Sie?«
»Warum ist mein Vater nach Paris gekommen?«, fragte Sarah triumphierend. Das Beben in ihrer Stimme ließ vermuten, dass sie die Antwort bereits kannte.
»Nun – wegen des Würfels, nehme ich an.«
»Falsch. Wäre es so gewesen, hätte Vater sicher Vorbereitungen für die Übergabe getroffen. Recassin wusste, dass man ihm auf den Fersen war, folglich wäre es klüger gewesen, sich außerhalb der Stadt zu treffen, an einem geheimen Ort. Ich gehe also davon aus, dass Recassin sich spontan dazu entschlossen hat, Vater das Artefakt zu geben – wahrscheinlich, weil er es vor seinen Verfolgern in Sicherheit bringen wollte.«
»Oui, und ihr Vater hat es mir gegeben«, fügte du Gard sarkastisch hinzu. »Erinnern Sie mich, dass ich mich bei ihm dafür bedanke.«
»Vater wollte Ihr Leben sicher nicht gefährden«, beschwichtigte Sarah. »Ihm war wohl klar, dass man das Artefakt am allerwenigsten bei einem Varietékünstler vermuten würde.«
»Bei einem Varietékünstler?« Du Gard blickte beleidigt drein. »Haben Sie noch mehr solcher Komplimente parat?«
»Wenn schon – Vater hatte recht. Ihnen ist nichts zugestoßen.«
»Non, aber was nicht ist, kann ja noch werden – schließlich sind es inzwischen zwei Kincaids, die sich um mein Wohlergehen sorgen«, witzelte der Franzose. »Aber worauf wollen Sie hinaus?«
»Darauf, dass Vater nicht des Kubus wegen nach Paris gekommen ist«, antwortete Sarah. »Er könnte auch hier gewesen sein, um eine Expedition nach Ägypten vorzubereiten.«
»Was bringt Sie auf den Gedanken? Könnte Ihr Vater derlei Vorbereitungen nicht ebenso gut von London aus treffen? Schließlich verfügt das Britische Museum über eine nicht unbeträchtliche Sammlung, wenn ich recht informiert bin. Und auch die Privatbibliothek Ihres Vaters soll ausnehmend gut bestückt sein …«
»Das ist sie«, räumte Sarah ein. »Dennoch gibt es hier in Paris etwas, das sich in diesem Umfang weder in Kincaid Manor noch in den Archiven des britischen Museums findet.«
»Und das wäre?«
»Landkarten«, eröffnete Sarah. »Als Napoleon 1798 sein Heer nach Ägypten führte, wurde er von einer ganzen Schar europäischer Künstler und Wissenschaftler begleitet, die das Land der Pharaonen in Karten und Skizzen erfassen sollten. Ein Großteil der Arbeiten wurde später als ›Description de l’Egypte‹ veröffentlicht. Dominique Vivant Denon jedoch, der französische Leiter der Kommission, begründete eine eigene Sammlung von Bild- und Kartenmaterial, das nie in vollem Umfang publiziert wurde und den Grundstock der ägyptischen Abteilung im Musée du Louvre bildet. Obwohl Denons Zeichnungen und Skizzen mehr als achtzig Jahre alt sind, sind sie bis heute ein unverzichtbares Hilfsmittel für Archäologen.«
»Und Sie denken, dass Ihr Vater deswegen in Paris weilte?«
»Es wäre denkbar – und es lässt sich leicht überprüfen. Soweit ich weiß, führt die Bibliotheksverwaltung aus Furcht vor Diebstählen genaue Aufzeichnungen darüber, wer welche Karte zu welchem Zeitpunkt eingesehen hat.«
»Alors - dann sollte unser nächster Weg uns in den Louvre führen, n’est-ce pas?«
»Sind Sie sicher, dass Sie mich weiter begleiten wollen?« Sarah sandte du Gard einen ehrlich besorgten Blick. »Sie haben schon mehr für mich getan, als ich erwarten konnte, und ich möchte nicht, dass Ihnen meinetwegen etwas zustößt. Auch mein Vater würde das nicht wollen, unabhängig davon, was Sie ihm versprochen haben.«
»Da wäre ich mir nicht so sicher«, meinte du Gard und zwinkerte ihr schelmisch zu. »Ich bin Franzose, Sarah, kein Engländer. Sie sollten nicht alles wörtlich nehmen, was ich sage – ganz besonders nicht, wenn es dabei um Sie oder um Ihren Vater geht. Gardiner Kincaid hat mir einst geholfen, ich stehe in seiner Schuld. Außerdem habe ich ihm versprochen, ein Auge auf Sie zu haben, und das kann ich nur, wenn ich in Ihrer Nähe bin. Was immer Sie also zu tun beabsichtigen, ich bin dabei.«
»Schön«, erwiderte Sarah entschlossen, »dann also zum Louvre. Wir haben keine Zeit zu verlieren.«
»Sarah?«
»Ja?«
»Ihr Vater ist am
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