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Die Flamme von Pharos

Die Flamme von Pharos

Titel: Die Flamme von Pharos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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Und eines weiß ich bestimmt: Menschen tun so etwas nicht, Lady Kincaid.«
    »Ich glaube, da irren Sie sich«, entgegnete Sarah.
    »Als ich sah, was sie meinem Bruder angetan hatten, da bekam ich schreckliche Angst, denn ich wusste, ich würde die nächste sein«, hauchte die Patientin flüsternd und mit nur mühsam zurückgehaltener Hysterie. »Meine einzige Chance bestand darin, das Erbstück zu finden und es ihnen zu geben. Also setzte ich alles daran, es zu finden. Meine letzte Hoffnung bestand darin, dass mein Bruder es in seinem alten Arbeitszimmer versteckt hatte – ich konnte ja nicht wissen, dass er es Ihrem Vater gegeben hat. Als ich das Erbstück nicht finden konnte, unternahm ich alles, um an einen Ort zu gelangen, wo ich vor den Nachstellungen der Feinde sicher sein würde …«
    »Was?«, fragte du Gard verblüfft, der noch vor Sarah begriff, was Francine ihnen damit zu verstehen geben wollte. »Soll das heißen, Sie haben sich freiwillig einliefern lassen? Dass Sie Ihre Geisteskrankheit nur vorgetäuscht haben?
    »Brillant, nicht wahr?« Sie lächelte. »Wahnsinn vorzugaukeln ist weit weniger schwierig, als man annehmen sollte. Sind die Ärzte erst einmal davon überzeugt, dass man den Verstand verloren hat, sehen sie alles, was man tut und sagt, in einem anderen Licht.«
    »Aber das ist nicht richtig«, ereiferte sich Sarah, der allein der Gedanke, an diesem tristen Ort eingesperrt zu sein, schlicht unerträglich war. »Sie sollten sich nicht verstecken.«
    »Was sollte ich denn Ihrer Ansicht nach stattdessen tun?«
    »Herausfinden, was es mit dem Kubus auf sich hat, und den Mördern Ihres Bruders das Handwerk legen.«
    »Ihnen das Handwerk legen.« Erneut lachte Francine, diesmal in unverhohlenem Spott. »Es klingt sehr einfach, wie Sie das sagen. Und so mutig und entschlossen – dabei sind Sie selbst von Angst erfüllt.«
    »Ich fürchte um das Leben meines Vaters«, räumte Sarah ein, »das ist wohl wahr.«
    »Das allein ist es nicht«, beharrte die Patientin. »Sie fürchten sich vor so vielen Dingen. Vor dem, was Sie sind, und vor dem, was Sie sein könnten. Vor dem, was Sie gesehen haben und noch entdecken könnten. Am meisten jedoch fürchten Sie sich davor zu versagen. Sie wollen sich und der Welt beweisen, wozu Sie fähig sind, und das Erbstück gibt Ihnen dazu Gelegenheit. Ist es nicht so?«
    »Unsinn«, widersprach Sarah entrüstet. »Es geht mir nur darum, meinen Vater zu finden.«
    »Wenn Sie das glauben, belügen Sie sich selbst. Ich blicke in Ihre Augen, Lady Kincaid, und sehe darin denselben Glanz, den ich auch in den Augen meines Bruders gesehen habe – bis zu jenem Morgen, als ich sie blicklos fand und stumpf. Passen Sie auf, dass Ihre Neugier und Ihre Leichtfertigkeit Sie nicht das Leben kosten.«
    »Keine Sorge, ich werde auf der Hut sein«, versicherte Sarah unterkühlt. »Wir alle haben Ängste, aber wir sollten uns ihnen stellen. Andernfalls« – sie blickte sich in der Zelle um – »macht es keinen großen Unterschied, ob Sie noch am Leben sind oder nicht.«
    »Sie haben nicht gesehen, was ich gesehen habe«, konterte Francine. »Glauben Sie mir – es macht einen Unterschied. Und kommen Sie nicht auf den Gedanken, Dr. Didier mein kleines Geheimnis zu verraten – er würde Ihnen ohnehin nicht glauben.«
    »Keine Sorge«, versicherte Sarah. »Wenn Sie unbedingt hier bleiben wollen, werden wir Sie nicht daran hindern.«
    »Vielleicht werden Sie mich eines Tages besser verstehen. Bis dahin geben Sie auf sich Acht – denn der Wahnsinn ist näher, als Sie es sich vorstellen können.«
    Sarah wusste weder, was Francine ihr damit sagen wollte, noch fiel ihr eine passende Erwiderung ein. Soweit es sie betraf, war alles gesagt. Sie hatte ihre Fragen gestellt und Antworten erhalten, auch wenn diese weniger üppig ausgefallen waren, als sie es sich erhofft hatte. Der dringende Wunsch, den düsteren Ort zu verlassen, erfüllte sie, also packte sie das Artefakt wieder ein und steckte es zurück in ihre Tasche, verabschiedete sich und wandte sich gemeinsam mit du Gard zum Gehen. Auf der Schwelle rief Francine sie jedoch noch einmal zurück.
    »Eines noch …«
    »Ja?«, fragte Sarah.
    »Mein Bruder hat mit mir kaum über das Erbstück gesprochen, deswegen kann ich Ihnen nichts über seine Bedeutung sagen. Aber Pierre pflegte zu sagen, dass Ozymandias das Geheimnis kennt. Hilft Ihnen das weiter?«
    »Wir werden sehen«, erwiderte Sarah. »Danke.«
    »Keine Ursache«, gab Francine

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