Die Flamme von Pharos
zurück – und brach in hysterisches Gelächter aus, das von der hohen Decke und den bemalten Wänden widerhallte und voller Hohn und Spott über den Besuchern zusammenschlug. Sarah schauderte, während sie einen letzten Blick auf die elende Gestalt in ihrem grauen Kleid warf, die auf dem Boden hockte und sich das wirre Haar raufte – und hätte sie es nicht besser gewusst, hätte sie gesagt, dass dies tatsächlich das geistlose Lachen einer Wahnsinnigen war.
»Gehen wir«, raunte sie du Gard zu, der nicht weniger entsetzt zu sein schien als sie selbst. »Ich muss hier raus.«
Sie verließen die Zelle, worauf der Wärter die Eisentür hinter ihnen schloss und verriegelte. Das Gelächter von Patientin 87 verfolgte sie, bis es im allgemeinen Schreien und Zetern unterging – aber Sarah hatte das Gefühl, Francine Recassins keifendes Organ auch dann noch zu hören, als sie die Anstalt längst verlassen hatten und wieder in der Droschke saßen, die sie zurück nach Paris brachte.
»Was, zum Henker, war das?«, fragte Sarah wenig damenhaft.
»Wer weiß?« Du Gard zuckte mit den Schultern. »Ich denke, dass Madame Recassin sich auf einem schmalen Grat bewegt, zwischen Normalität und Wahnsinn. Verrückt, n’est-ce pas?«
»In der Tat«, knurrte Sarah. »Was sollte das ganze Gerede über meinen Vater und meine angeblichen Ängste? Wie kommt Sie dazu, so etwas über mich zu behaupten? Sie kennt mich nicht einmal.«
»Sehen Sie es ihr nach, Sarah. Sie ist ein armes Geschöpf, das einen geliebten Menschen verloren hat.«
»Dennoch sollte sie nicht vorschnell über andere urteilen. Und sie sollte sich nicht in einem dunklen Loch verkriechen.«
»Vielleicht werden Sie sie irgendwann besser verstehen«, gab du Gard zu bedenken, »wenn Sie ebenfalls einen schweren Verlust erlitten haben und sich am liebsten in einem dunklen Loch verkriechen würden.«
»Sprechen Sie von der Zukunft?«, fragte Sarah.
»Nein.« Du Gard schüttelte den Kopf. »Ich spreche von der Vergangenheit. Wie sehr die Menschen einander verstehen, hängt von den Erfahrungen ab, die sie machen.«
»Sie wussten es von Anfang an, nicht wahr?«
»Was soll ich gewusst haben?«
»Dass Francines Apathie nur gespielt war. All dieses Gerede über Hypnose und dass Sie nichts tun wollten, was ihr Schaden zufügen könnte – es diente nur dazu, ihr Vertrauen zu gewinnen.«
»Schuldig im Sinne der Anklage.« Du Gard lächelte. »Die Macht der Hypnose kann sehr nützlich sein – aber in diesem Fall war ein wenig Menschenkenntnis nicht weniger hilfreich.«
»Sie erstaunen mich immer wieder.«
»Darf ich das als Kompliment verstehen?«
»Wenn es Ihnen Freude macht.« Sarah erwiderte sein Lächeln. »In jedem Fall wissen wir jetzt, dass wir keinem Hirngespinst nachjagen. Bei diesem Würfel muss es sich um etwas sehr Wertvolles handeln, andernfalls würden Menschen nicht bedenkenlos dafür töten.«
»Das ist anzunehmen – allerdings erklärt es auch, weshalb Ihr Vater wollte, dass Sie mit dem Artefakt nach England zurückkehren.«
»In der Tat«, gab Sarah zu. »Nur hat Vater leider übersehen, dass es nicht meine Art ist, mich zu verstecken. Wenn Francine recht hat, sind die Mörder auch hinter ihm her.«
»Oui, und hinter uns ebenfalls«, fügte du Gard hinzu. »Sollten wir nicht die sûr eté verständigen?«
»Und riskieren, dass das Artefakt beschlagnahmt wird und ich dadurch die einzige Verbindung verliere, die ich zu meinem Vater habe? Sie wissen genau, dass die Polizei im Dunkeln tappt, was Recassins Mörder betrifft – es gibt also keinen Grund, uns an sie zu wenden.«
»D’accord«, beugte sich du Gard Sarahs Argumenten. »Was wollen Sie stattdessen tun?«
»Weiter versuchen, herauszufinden, was es mit diesem Würfel auf sich hat«, meinte Sarah bestimmt. »Ich bin überzeugt davon, dass er uns nicht nur zu meinem Vater, sondern auch zu Recassins Mördern führen wird – hoffentlich in dieser Reihenfolge.«
»War Ihnen Madame Recassins Hinweis denn nützlich?«
»Nicht wirklich.« Sarah schürzte die Lippen. »Wenn ich mich recht entsinne, ist ›Ozymandias‹ die griechische Bezeichnung für den ägyptischen Pharao Ramses II., aber mir ist nicht klar, worin die Verbindung zu dem Kubus bestehen könnte.«
»Nun, immerhin ist es ein Hinweis auf Ägypten«, folgerte du Gard. »Möglicherweise hält sich Ihr Vater dort auf.«
»Wer weiß?« Sarah zuckte mit den Schultern und blickte gedankenverloren aus dem Seitenfenster der Droschke,
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